First Frame & Final Frame – Erster Satz & Letzter Satz
Dies ist kein Aprilscherz, denn die sind in der Regel selten wirklich gelungen. – Es ist nur ein kleines Spiel, ein albernes, vielleicht, aber es hat doch seinen Reiz. Ausgangspunkt war das Video First and Final Frames von Jacob T. Swinney. Aus 55 Filmen nimmt er die erste und letzte Einstellung und stellt sie nebeneinander. Einige Eröffnungsbilder ähneln den Schlußbildern, manchmal sind sie identisch, einige Bildpaare zeigen eine Entwicklung, andere einen Zerfall, manchmal sind es auch einfach nur imposante Effekte und Farben, mit denen ein Film endet oder beginnt. Doch immer kommunizieren die Bilder.
Angreregt von diesem sehenswerten Experiment, habe ich in meine Bücherregale gegriffen und (mehr oder weniger wahllos) Bücher herausgezogen. Die erste und letzte Einstellung eines Filmes funktioniert wie der erste und letzte Satz eines Romanes, dachte ich. Et voilá, 25 erste und letzte Sätze unmittelbar hintereinander. Die Paare formen einen neuen Text, eine Art automatisches Gedicht, eine Variation von unzähligen. Reizvoll und albern zugleich.
Wie froh bin ich, daß ich weg bin. Kein Geistlicher hat ihn begleitet. | Ihr Menschenbrüder, lasst mich euch erzählen, wie es gewesen ist. Die Wohlgesinnten hatten meine Spur wieder aufgenommen. | Eigentlich hat diese Geschichte mehrere Anfänge. Nur noch ein paar Augenblicke, und wir finden einander. | Nennt mich Ishmael. Und das große Bahrtuch des Meeres rollte sich hin, wie es sich vor fünftausend Jahren schon hingerollt. | Nun, Fürst, Genua und Lucca sind jetzt nichts weiter als Landgüter der Familie Bonaparte. Und sie erwarteten dort die Rückkehr von Nikolaj und Andrej. | Die junge Königin stand einen Moment lang einfach da und wartete Der Feuerschein war so mächtig, daß er weithin bemerkt wurde; auch in Berlin war er zu sehen. | Stattlich und Feist erschien Buck Mulligan am Treppenaustritt, und ich hab ja gesagt ja ich will Ja. | Am anfang schuff Gott Himmeln und Erden. Die Gnade unseres Herrn Jhesu Christi sey mit Euch allen. Amen. | Er stand vor dem Tor des Tegeler Gefängnisses und war frei. Der eine bleibt stehen, der andere fällt um, der eine rennt weiter, der andere liegt stumm, widebum, widebum. | Nichts Niemand Nirgends Nie! : Dabei hatte ich leedicklich meine Haustür=Lampe angeknipst.) | Erst für halb zwölf Uhr mit Reger im Kunsthistorischen Museum verabredet, war ich schon um halb elf Uhr dort, Die Vorstellung war entsetzlich. | Barrabas kam über den Seeweg in die Familie, trug die kleine Clara in ihrer zarten Schönschrift ein. So fängt es an: Barrabas kam über den Seeweg in die Familie … | Ich wünschte, entweder mein Vater oder meine Mutter, oder fürwahr alle beide, hätten bedacht, was sie taten, als sie mich zeugten; Eine windbeutelige Schweifrede vom Stier, sagte Yorick – und eine der allerbesten, so ich je vernommen. | Irgendwann waren sie in den roten Kleinwagen gestiegen und losgefahren. Er lächelte, als er ins Dunkel seiner Wohnung trat. | Ich befinde mich in einem Büro, umgeben von Körpern und Köpfen. Und als er wieder zu sich kam, lag er auf dem Rücken am Strand im eiskalten Sand, aus einem niedrighängendem Himmel regnete es und draußen war Ebbe. | Am Freitagabend war ich bei einem Arbeitskollegen eingeladen. Das Lebensziel ist verfehlt, es ist zwei Uhr nachmittags. | Die Sonne schien, da sie keine Wahl hatte, auf das Nichts des Neuen. Sie schloß ihre Augen. All out. | Ich zog da aus, wo Lumpen einkehrten, zog in ein Haus, bewohnt von Gelehrten. Und Elsas Blick verliert jeden Halt in der jetzt sie verschlingenden Trance. | Über dem Atlantik befand sich ein barometrisches Minimum; man richtete ihm aus, daß sie ihn durch ihren Entschluß nicht hätte stören wollen. | Ein Heulen kommt über den Himmel. Und jetzt alle – | Der liebe Vaterlandsboden gibt mir wieder Freude und Leid. Du hast meiner gedacht, edler Geist, ich gedenke deiner jetzt. | Sie haben mir eine Strafarbeit gegeben. Wir werden einander reglos gegenübersitzen, zufrieden mit uns, weil jeder das Gefühl haben wird, gewonnen zu haben. | Jemand mußte K. verleumdet haben. „Wie ein Hund!“, sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben. | Der Vater sitzt an seinem Schreibtisch, sieht hinunter auf den Fluß, den Kurgarten, ist immer zuhaus von früh bis spät. Morgen wird mein Zuhause aufgelöst. | Dem Monteur Josef Bloch, der früher ein berühmter Tormann gewesen war, wurde mitgeteilt, daß er entlassen sei. Und der Elfmeterschütze schoß ihm den Ball in die Hände.
Verwendet wurden: Johann Wolfgang Goethe »Die Leiden des jungen Werther«; Jonathan Littell »Die Wohlgesinnten«; Nino Haratischwili »Das achte Leben (Für Brilka)«; Herman Melville »Moby Dick«; Leo Tolstoi »Krieg und Frieden (Urfassung)«; Thomas Hettche »Pfaueninsel«; James Joyce »Ulysses«; »Die Bibel« (Luther 1545); Alfred Döblin »Berlin Alexanderplatz«; Arno Schmidt »Kaff«; Thomas Bernhard »Alte Meister«; Isabel Allende »Das Geisterhaus«; Laurence Sterne »Tristram Shandy«; Jan Costin Wagner »Das Schweigen«; David Foster Wallace »Unendlicher Spaß«; Michel Houellebecq »Ausweitung der Kampfzone«; Samuel Beckett »Murphy«; Hanns Zischler »Das Mädchen mit den Orangenpapieren«; Robert Musil »Der Mann ohne Eigenschaften«; Thomas Pynchon »Die Enden der Parabel«; Friedrich Hölderlin »Hyperion«; Siegfried Lenz »Deutschstunde«; Franz Kafka »Der Prozeß«; Botho Strauß »Herkunft«; Peter Handke »Die Angst des Tormanns beim Elfmeter«
Auf der Vimeo-Seite zu First and Final Frames findet sich unter »Mehr Informationen« eine Liste der Filme mit Time Code, falls Ihr nicht alle erkannt haben solltet.