Ein Aufruf zur Rettung und etwas Hintergrund
Vor einer Woche hat eine Meldung viele Buchliebhaber (nicht nur in Berlin) aufgeschreckt. »ocelot, not just another bookstore« musste Insolvenz beantragen und steht vor dem aus. Wenn eine Buchhandlung nach nur zwei Jahren bereits kurz vor der Pleite stehe, so war in vielen Kommentaren zu lesen, dann sei da etwas fatal schiefgelaufen. Tatsächlich hat Gründer und Inhaber Frithjof Klepp in einem Interview mit dem Buchreport eigene Fehler freimütig eingeräumt, ist aber von seiner Geschäftsidee und vom Konzept hinter »ocelot,« weiter überzeugt.
Die Idee, eine Buchhandlung als intelligente und selbstbewusste Marke aufzubauen, die auf Zielgruppen zugeht, ohne sich anzubiedern, ist meiner Ansicht nach weiterhin der richtige Weg. Das Konzept muss nach den Erfahrungen der ersten zwei Jahre aber natürlich justiert und verfeinert werden.
Aufruf zur Aktion
Retten können »ocelot,« mögliche neue Investoren und wir, wir Kunden. Deshalb teile ich hier aus vollem Herzen den Aufruf zu einer geplanten Aktion am kommenden Sonnabend, den 15.11.2014 um 16 Uhr in der Brunnenstraße 181. Macht mit, wenn Ihr aus Berlin seid, oder es schafft, am Sonnabend anzureisen.
Was da genau geschehen wird? In erster Linie geht es darum, Bücher zu kaufen, viele Bücher, Bücher, die euch glücklich machen und die es ocelot ermöglichen, wieder flexibler zu handeln. Natürlich wollen wir damit aber auch ein Zeichen setzen für das ocelot und den unabhängigen Buchhandel im Allgemeinen.
Ausführliche Infos zum »ocelot,«-Flashmob findet Ihr im Blog we read indie.
Nach einer kurzen Auszeit ist mittlerweile der Onlineshop von »ocelot,« wieder geöffnet. lustauflesen.de ist seit dem Anfang August Teilnehmer des Partnerprogramms und verlinkt Buchtitel in allen Beiträgen dorthin. (»ocelot,« hat in meinem Blog seinerzeit Amazon abgelöst, aus gutem Grund.)

Natürlich steht es jeder Leserin und jedem Leser von lustauflesen.de frei, woanders einzukaufen, solange er/sie dabei, das wäre mein Wunsch, eine stationäre, eigentümergeführte Buchhandlung unterstützt. Vielleicht ist, unabhängig von der Treue zur persönlichen Lieblingsbuchhandlung, ein Stützungskauf bei »ocelot,« drin?!
Mehr (und zusätzliche) Informationen auch auf der Facebook-Seite »Rettet das Ocelot,«.
Zum Hintergrund
Buchhandlungen sind kulturelle Begegnungsstätten, in ihnen treffen passionierte Leser aufeinander, die eine Leidenschaft teilen. In ihnen treffen Autoren und ihr Publikum aufeinander. In ihnen wird diskutiert und gestritten über guten und schlechten Geschmack, über Mitreißendes und Todlangweiliges. In ihnen wird geschwärmt und verrissen, in ihnen wird Literatur greifbar und Verbindungen zwischen Menschen entstehen. In einer Gesellschaft, die immer mehr ihrer Kontakte und Kommunikation vielfach virtuell abhandelt, ist so ein Ort schon in sozialer Hinsicht bedeutsam.
Das hat Sophie Weigand, Buchhändlerin von Beruf und aus Berufung, in ihrem Blog Literaturen in einem leidenschaftlichen Plädoyer für den Erhalt der Buchhandelkultur geschrieben. Ich kann die Lektüre des gesamten Artikels nur wärmstens empfehlen.
Auch Thomas Brasch von Brasch & Buch hat – wie immer streitbar und mit sehr eigener Sicht auf die Dinge – den Artikel von Literaturen aufgegriffen und das, was dort hervorgehoben wird, den Positionen entgegengesetzt, die Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, in einem Kommentar im NDR geäußert hat. Thomas’ Haltungen teile ich nicht immer vollständig, aber sie sind es in jedem Fall wert, gehört (oder gelesen) zu werden.
Beide Artikel halte ich für einen idealen Ausgangspunkt, sich ganz persönlich mit der Diskussion über den (heutigen) Zustand und die (mögliche) Zukunft des Buchhandels auseinanderzusetzen. Es ist längst mehr, als nur ein Kampf gegen Internetgiganten wie Amazon, die Herausforderungen sind vielfältiger Natur und groß.
Was wir im Moment erleben, ist eine radikale Umgestaltung des Buchmarktes. Es gibt auf diesem Markt wohl keinen ernstzunehmenden Akteur mehr, der das nicht bestätigen würde. Dabei gehen mittlerweile alle davon aus, dass diese Umgestaltung gerade erst begonnen hat. Wir wissen auch: Sie geht einher mit einer Umgestaltung der literarischen Kultur und damit natürlich der Medienkultur überhaupt.
Was Stephan Porombka, Professor für Textheorie und -gestaltung an der UDK in Berlin, in seiner Rede zum ersten Geburtstag von »ocelot,« gesagt hat gilt auch jetzt noch (oder ganz besonders jetzt), in Zeiten der Existenznot. Die gesamte Rede ist hier nachzulesen. Es lohnt sich, denn Porombka ist allein aus Profession alles andere als antiquierter Buchandelsnostalgie verdächtig, er lotet in der kleinen Lobrede vielmehr aus, was im Zeitalter neuer digitaler Techniken und der Allmacht des Internets (dennoch) möglich und nötig ist.
Kurz sei auch noch Tilman von 54books erwähnt. Über ihn und seinen Blogbeitrag ereilte mich die Nachricht von der »ocelot,«-Insolvenz zuerst, just nachdem wir gemeinsam in eifrigem E-Mailverkehr die Einzeltitelverlinkung zum »ocelot,«-Onlineshop auf seinem Blog zurechtgebastelt hatten. Das neue Feature bei 54books wurde so unfreiwillig (auch) zu einem Teil der Kampagne »Rettet das Ocelot,«.
11. November 2014 @ 14:48
Die Leidenschaft für Literatur ist unser aller Antrieb – gleich in welcher Form und über welche Wege wir sie verbreiten können. Und da sich im klassischen, freien Buchhandel und in den Verlagen die größten Enthusiasten für Literatur engagieren, wünsche ich ihnen auch den allergrößten Erfolg. Mit solchen Aktionen, mit überzeugenden Ideen und mit Geschäftsmodellen, die das auch honorieren.