Ein feuriger Appell – Fahrenheit 451
Sie setzen sich mehr und mehr auch in Deutschland durch, zurecht. Denn Graphic Novels haben in den letzten Jahren an Qualität gewonnen. Leider gibt es immer noch Zeitgenossen, die die Nase rümpfen und diese neue Form der Literatur schlicht Comic schimpfen. Zugegeben, auch brauchte einige Zeit, um mich mit Graphic Novels anzufreunden. Doch inzwischen haben sie einen festen Platz in meinen Bücherregalen. „Fahrenheit 451“ von Tim Hamilton war eine der ersten, die mich vom neuen Genre überzeugt haben.
Es sind düstere Bilder, fast wie in einem Film noir. Nur wenn das Feuer ins Spiel kommt explodieren die Farben. Eine Hölle in Orange, Rot und Gelb. Ein Höllebrand, der Bücher verschlingt und mit ihnen alles, was Freiheit, Wissen und Denken bedeutet. Diesen Band einfach nur als Comic zu bezeichnen, wäre falsch; Tim Hamilton hat den Roman von Ray Bradbury kongenial in eine berauschende, graphische Erzählung, eine Graphic Novel, umgesetzt.
Guy Montag ist Feuerwehrmann und sein Job macht ihm Spaß. Er legt Brände … Daß die Feuerwehr früher Feuer gelöscht habe, hält Montag für einen Mythos. Montags Auftrag ist klar und unmissverständlich. Bücher werden verbrannt und mit ihnen die Häuser, in denen sie versteckt werden. Niemand darf Bücher lesen oder besitzen. Eine papierfreie Gesellschaft ist das Ziel, dauerberieselt von geistloser Fernsehunterhaltung auf Riesenbildschirmen. Fahrenheit 451 ist die Temperatur, bei der Bücher Feuer fangen und verbrennen. Seit 10 Jahren ist Montag schon Feuerwehrmann und er hat niemals die nächtlichen Einsätze und die Freude am brennenden Papier hinterfragt. Doch dann trifft er die geheimnisvolle Clarissa … Montag kommt ins Grübeln und und als wenig später eine alte Frau freiwillig mit ihren geliebten Büchern in den Flammentod geht, will Montag das Geheimnis der Bücher verstehen. Heimlich beginnt er zu lesen. Doch seine Feuerwehrkollegen kommen ihm auf die Spur und verbrennen sein Haus. Montag wird Staatsfeind, flieht in die Wälder, schließt sich dort Menschen an, die Bücher bewahren, indem sie sie auswendig lernen und mündlich weitergeben.
Eine Graphic Novel
Deutsch v. Fritz Grüttinger
Gebunden, 160 Seiten
Frankfurt/Main: Eichborn 2010
1953 ist Bradburys düstere Zukunftsversion einer totalitären und unmündigen Gesellschaft erschienen. 1966 hat Francois Truffaut diese Liebeserklärung an das gedruckte Wort verfilmt. Spätestens seitdem besitzt „Fahrenheit 451“. 2010, im Jahr des 90. Geburtstages Bradburys, eine neue der Zeit angepasste Adaption. In pulsierenden, eindringlichen Bildern wird die Geschichte, beklemmend aktuell, frisch erzählt. Und wenn man aus dem Strudel der Bilder auftaucht, sollte gleich anschließend auch der Roman von Bradbury wieder zur Hand genommen werden. Er hat es verdient.
Übrigens erzählt Bradbury, der selbst bekennender Comicfan ist, im Vorwort zu Tim Hamiltons Graphic Novel wie einst bei einem Spaziergang durch die Nacht „Fahrenheit 451“ seinen Anfang nahm.
(Ein älterer Beitrag aus dem Jahr 2010, aber immer noch für gut befunden. Deshalb hier erneut veröffentlicht.)