Arno Schmidt spricht – Zwei kurze Videos (oder auch nicht) und kurze Anmerkungen
Mein Säulenheiliger Arno Schmidt mal wieder, ja, ja! Nicht lesen will ich ihn heute, sondern ihm lauschen. Wer Schmidts Stimme erstmals vernimmt, ist bass erstaunt, wer sie zum wiederholten Male hört, verfällt ihrem quecksilbrigen Wesen: Rhythmus & Klang & Intonation !! (Hier ein Kurzausschnitt aus einem Interview, das Schmidt 1964 dem ZDF gewährte, anläßlich seines 50. Geburtstages. Er war keinesfalls der medienabstinente Schweiger in der Heide, für den ihn viele hielten.)
Edit: 12.12.15, um 18.00 Uhr: Siehe die Anmerkung am Fuß der Seite.
Die Stimme? Merkwürdig hoch, sehr klar, unterlegt mit sonorem Basso Continuo: Getakte wie ein Morse-Code – kurz, kurz, lang, kurz, lang, lang: Nordisch klar, niedersächsisch-hoch-deutsch, durchpoltert von gerollten »R«s und hamburgischen Spitzen Steinen: im Formulieren nach Worten suchend, tastend, findend: dann wieder schnell, beinahe aggressiv: immer wieder nervös huschend: die rechte Augenbraue als Taktgeber, als Ausrufezeichen (nonverbal).
Noch einmal, diesmal konzentriere sich bitte der Blick auf den Bleistift in Schmidts Händen. Unermüdlich spult er dort den Faden seiner Gedanken ab, dann wieder auf: die Finger drehen die Sätze zum guten Ende. »So ist es. Punkt.«
Edit: 12.12.15, um 18.00 Uhr: Siehe die Anmerkung am Fuß der Seite.
Vorläufiges zu Zettels Traum – in dieser Aufnahme habe ich ihn erstmals vernommen, 10 Jahre (oder einige mehr) nachdem das Vinyl-Doppelalbum in holzumrandeter Box erstmals auf dem Markt erschienen war. Gelesen hatte ich da bereits viel von ihm; aber nichts von ihm gehört. Schmidt erklärt in freier Rede sein Mammut-Werk; vieles wurde klarer, vieles blieb vom Nebel verschleiert. Aber, mit dem Klang der Stimme im Ohr, änderte sich schlagartig die Aura des Schriftstellers. Seine Texte klangen anders, selbst im eigenen, stummen Lesen. Schmidt-Sound: knorrig-massiv in den Behauptungen, perlend-suggestiv in der Ausführung.
Kassette mit 2 Langspielplatten und einem Beiheft
Mit 3 Faksimilebeigaben der gelesenen Textseiten aus Zettels Traum sowie Textaufzeichnungen von Arno Schmidts freier Rede beim Gespräch mit dem NDR über Entstehung, Aufbau und Absicht seines Typoskriptbuches Zettels Traum.
Frankfurt: S. Fischer Verlag 1977
Ein wahres Stimmen-Orchester konnte Schmidt auf die Bühne hieven und federleicht dirigieren, wenn er eigene Texte vorlas. Auch davon sind Zeugnisse erhalten. Alles zu vernehmen auf den DVDs und CDs, die dem Band Supplemente 2 der Bargfelder Ausgabe beigelegt sind. Besonders schön: die unbearbeiteten Mitschnitte zweier lange Gespräche (a.) zu Zettel’s Traum und b.) zum Raubdruck desselben und Raubdrucken überhaupt), die der Spiegel-Redakteur Gunar Ortlepp mit dem Ehepaar Schmidt geführt hat: Klappernde Kaffeetassen, Alices munter-verbessernde Einwürfe und Arnos barsche Zurechtweisungen … »Sie bleiben doch noch zum essen?, Herr Ortlepp?!« … ein akkustischer Einblick in die Bargfelder Kleinstküche mit aller ihrer miefigen Spießigkeit und literarischen Weltläufigkeit. Köstliche Dokumente, diese Medien-Edition zeigt, wie sich der »Solipsist in der Heide« in der Öffentlichkeit dargestellt wissen wollte.
Band 2 – Lesungen, Interviews, Umfragen
Mit 1 DVD und 9 CDs
Gebunden, 231 Seiten
Frankfurt/M: Suhrkamp 2006
Mehr zu diesem Supplemente-Band, zur Bargfelder Ausgabe und zu anderen Editionen der Arno-Schmidt-Stiftung auf einer (recht neuen) Autorenseite zu Arno Schmidt beim Suhrkamp-Verlag.
… und dann wären da noch Schmidts Funkessays zur Literatur. Aber das ist eine andere Geschichte und sie soll ein anderes Mal erzählt werden.
————————-
Anmerkung & Edit: Die Nesseln des Urheberrechts sind wendig & giftig. Oder, um es diplomatisch zu formulieren: Die Arno-Schmidt-Stiftung, zu der lustauflesen.de ein sehr freundlich-kollegiales Verhältnis pflegt, besitzt leider nicht die Rechte an Film- und Fernsehaufnahmen, die Arno Schmidt in Bild und Ton zeigen. Rechtlich ist das leider alles unglaublich kompliziert. Um auf eine sichere Seite zu gelangen, wurden hier sämtliche Links zu den Filmaufnahmen, die auf Youtube hinterlegt sind, entfernt. Wer dort auf eigene Faust (nach urheberrechtlich bedenklichem Material) suchen möchte, bitte sehr.