Der Neustart von C/O Berlin & zwei Fotobände
Das Amerikahaus ist zurück und mit ihm C/O Berlin. Vor einer Woche wurde das Gebäude an der Hardenbergstraße in Berlin Charlottenburg wieder eröffnet, nach umfangreicher und denkmalgerechter Sanierung. Mit dem Ausstellungszentrum für Fotografie kehrt wieder Leben in das Gebäude ein, das lange leerstand. Vier Ausstellungen zeigt C/O Berlin zur Eröffnung. Zwei davon sind großen Namen gewidmet. Wer den Weg nach Berlin nicht schafft, kann mit Hilfe zweier Bildbände den Galeriebesuch zumindest ansatzweise simulieren. Allen die da waren, bieten die beiden Bücher zuhause eine schöne Erinnerung an das Gesehene.
Magnum
Contact Sheets
Kontaktbögen und Meisterwerke
Wann ist ein Foto ein gutes Foto? Wann hat es das Potential, eine Ikone zu werden, zu einem Bild, das sich ins kollektive Gedächtnis einbrennt? Das hängt nicht selten von vielen Zufällen ab. Viele professionelle Fotoreporter haben ein Geschick entwickelt, zu richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und ihre Kamera geistesgegenwärtig auszulösen. Die Fotografen der legendären, 1947 gegründeten Agentur Magnum gehören zweifelsohne dazu. Viele ihrer Fotografien wurden zu Ikonen. In einem prächtigen Bildband schauen wir ihnen über die Schulter. Magnum Contact Sheets zeigt die Kontaktbögen zu einer Reihe »ultimativer Bilder«. Die Filmstreifen erzählen die Geschichte hinter dem Bild, zeigen, ob es sich um einen Glücksschuss gehandelt hat oder ob auf dem Bild zielsicher der entscheidende Moment in einem längeren Handlungsablauf festgehalten wurde.
Erstmals haben zahlreiche Magnum-Legenden für diesen Bildband ihre Schubladen und Archive geöffnet. Hier zeigen sie intimstes Arbeitsmaterial. Erst auf den Kontaktbogen war in Zeiten der analogen Fotografie überhaupt zu sehen, ob etwas Brauchbares am Ende des Shootings herausgekommen war. Für den Betrachter ist das oft überraschend, denn nicht selten werden großartige Aufnahmen auch bei den Profis von sehr viel Ausschuss umrahmt. Markierungen und eingezeichnete Ausschnittsmarken belegen zudem, ein großes Foto entsteht nicht eins zu eins in der Kamera, sondern wird häufig erst durch Nacharbeiten in der Dunkelkammer oder durch Eingriffe von Bildredakteuren aus der Taufe gehoben. Den Kontaktbögen ist jeweils das EINE Foto, das dann um die Welt ging, gegenübergestellt, in den meisten Fällen in einem kurzen Text vom jeweiligen Fotografen selbst kommentiert. Ganz nebenbei ist Magnum Contact Sheets eine lehrreiche Schule des Sehens, in der ambitionierte Amateurfotografen und auch Alltagsknipser sehr viel lernen können.
Im digitalen Zeitalter sind Kontaktbögen obsolet geworden – ein Verlust an beweisbarer Authentizität, wie viele meinen. Auch in dieser Hinsicht ist das Buch ein unschätzbares historisches Dokument.
Will McBride - Aufbruch in Berlin
Der zweite Fotoband, der hier vorgestellt wird, zeigt eine Auswahl der Berlinbilder von Will McBride. Der amerikanische Maler, Bildhauer und Fotograf ist mittlerweile 83 Jahre alt. 1955 kam er als Student nach Berlin, verliebte sich unsterblich in die Stadt und ist geblieben bis heute. Mit der Kamera erforschte er die geteilte Stadt, beobachtete den Wiederaufbau, das Leben in den damals noch häufig anzutreffenden Trümmern, war fasziniert von der Stimmung und Dynamik der Menschen und erlebte eine junge Generation, die das Trauma des Krieges abschütteln und voller Energie und Zuversicht in die Zukunft gehen wollte. Mit dem Mauerbau wurde das anders, aber Will McBride fotografierte weiter, behielt auch die neu aufbrechenden Konflikte in der Stadt fest im Blick. Sein Selbstverständnis dabei war nicht das eines reinen Dokumentaristen; McBride sieht sich bis heute eher als gestaltenden Bildkünstler, der auch eigene Erfahrungen ins Bild setzte. Das Berlin von heute liegt ihm nicht mehr, alles sei zu glatt, zu durchkommerzialisiert zu wenig einzigartig im Vergleich zu anderen Metropolen; die Stadt verlassen, das will und kann er aber auch nicht.
Als das Amerikahaus 1957 eröffnet wurde gehörte Will McBride zu den ersten, die dort ausstellen durften. Heute, nach dem Umbau und der Wiedereröffnung,hängen seine Fotos, in zum Teil deckungsgleicher, aber auch neuer Auswahl, erneut an den Wänden. Für die Macher von C/O Berlin war dieser Teil der insgesamt vier Eröffnungsausstellungen zwangsläufig, denn Will McBrides Bilder gehörten zu dem Besten, was an Straßenfotografie in Deutschland zu bekommen sei. Ganz unabhängig von der Ausstellung im Amerikahaus kann sich jeder davon in dem vom Lehmstedt Verlag herausgegebenen Bildband überzeugen. Eine längst überfällige Wiederentdeckung.
C/O Berlin
C/O Berlin, das Ausstellungszentrum für Fotokunst, hat sich in den vergangenen Jahren einen Ruf erarbeitet, der weit über Berlin und Deutschland hinaus schallt. Vor allem die Jahre im Postfuhramt in Mitte, mit großen Ausstellungen unter anderem von Annie Leibovitz oder Peter Lindbergh, sind mittlerweile legendär. Die Hiobsbotschaft vom Ende der Ära im Postfuhramt erschütterte im Frühjahr 2013 viele Fans. Doch C/O Berlin gab nicht auf, kämpfte weiter, suchte nach neuen Räumen, nach neuen Investoren. Ganz unvermutet eröffnete sich das Angebot, in das leerstehende Amerikahaus an der Hardenbergstraße zu ziehen, in die bei vielen immer noch wenig geachtete West-City. Jetzt ist C/O Berlin dort angekommen, hat wunderschöne Ausstellungsräume in einem Haus mit bewegter Gechichte. Die Ausstellungsmacher fremdeln keine Spur mehr und auch die Besucher sind alle wieder da, wie die hoffnungslos überfüllte Vernisage in der vorherigen Woche gezeigt hat.
Am bisherigen und überaus erfolgreichen Konzept, jeweils einen bekannten Fotografen mit neuen, jungen Positionen in gleichzeitig laufenden Ausstellungen zu konfrontieren, wird festgehalten. Zu Beginn sind es, oh, Fülle, gleich vier Ausstellungen. Ein Besuch im Amerikahaus bei C/O Berlin lohnt sich, jetzt und künftig.
Das Amerikahaus
Das Amerikahaus. Die US-Regierung hat das Gebäude 1957 nach Plänen des Architekten Bruno Grimmek in der Hardenbergstraße, unmittelbar neben dem Bahnhof Zoo, errichtet. Hier sollte in erster Linie das Bild der USA im Ausland vermittelt und gestaltet werden. Es wurden Vorträge und Ausstellungen angeboten, eine öffentliche Bibliothek eingerichtet und über Wege in die USA informiert. Bei vielen Berlinern fand dieses Angebot in den 60er Jahren großen Anklang.
Zur Zeit des Vietnamkrieges und der Studentenproteste tobten rings um das Gebäude regelmäßig Straßenkämpfe; Anti- und Pro-Amerikademonstrationen wechselten sich ab. Während des Irakkrieges 2003 verschärfte sich die Situation nochmals. Absperrgitter rings ums Gebäude und ständige Polizeipräsenz waren die Folge. Das Amerikahaus war Symbol und Hassobjekt zugleich. 2006 wurde das Amerikahaus von der Stadt Berlin übernommen und es folgten wechselnde Nutzer. Nun hat C/O Berlin hier sein neues Domizil gefunden.