Rettet die Widkatze – »ocelot« vor dem Aus
Was wir im Moment erleben, ist eine radikale Umgestaltung des Buchmarktes. Es gibt auf diesem Markt wohl keinen ernstzunehmenden Akteur mehr, der das nicht bestätigen würde. Dabei gehen mittlerweile alle davon aus, dass diese Umgestaltung gerade erst begonnen hat. Wir wissen auch: Sie geht einher mit einer Umgestaltung der literarischen Kultur und damit natürlich der Medienkultur überhaupt.
Das sagte Stephan Porombka, Professor für Texttheorie und Textgestaltung an der Universität der Künste in Berlin, in einer Rede, die er vor etwas mehr als einem Jahr bei einer kleinen Feier in einem Buchladen in Berlin hielt. Dieser Buchladen feierte am 27. September 2013 seinen ersten Geburtstag. Ein Jahr zuvor hatte Frithjoff Klepp »ocelot, not just another bookstore« eröffnet und alle Unkenrufe überhört, alle Warnungen in den Wind geschlagen. Die Buchhandlung in der Brunnenstraße in Berlin Mitte überzeugte mit einem optisch auffälligen und extravaganten Konzept. Es gab sehr guten Kaffee, Couches mit dicken Kissen luden zum Schmökern ein und wer ausser in Büchern auch noch im Internet recherchieren wollte hatte ein Wlan für Laptop oder Tablet. »ocelot« wurde schnell zum Liebling der Medien, erntete viel positive Resonanz und Lob. Ein versandkostenfreier Onlineshop gesellte sich bald dem Ladengeschäft hinzu. Der stationäre Buchhandel hatte, so schien es, doch noch eine Chance gegen die Übermacht von Amazon & Co.
Alles Schnee von gestern?
Heute nun die Horrormeldung: Oceleot steht vor dem Aus. Bereits in der vergangenen Woche musste Frithjof Klepp den Gang zum Amtsgericht antreten, das inzwischen einen vorläufigen Sachwalter eingesetzt. Ist nun alles vorbei? Nein, noch nicht, sagt der Inhaber in einem offenen und ehrlichen Gespräch mit dem Branchenmagazin Buchreport, legt die Gründe für die Insolvenz offen und zeigt gleichzeitig Kampfesmut und Überlebenswillen.
Die Idee, eine Buchhandlung als intelligente und selbstbewusste Marke aufzubauen, die auf Zielgruppen zugeht, ohne sich anzubiedern, ist meiner Ansicht nach weiterhin der richtige Weg. Das Konzept muss nach den Erfahrungen der ersten zwei Jahre aber natürlich justiert und verfeinert werden.
Auch lustauflesen.de hat das Ocelot-Konzept unterstützt. Seit einigen Monaten verlinke ich besprochene Bücher nicht mehr, wie lange Jahre zuvor, zum Internet-Riesen Amazon; ich habe diesen Schritt damals in einem Artikel ausführlich begründet. Seitdem verweise ich hier und im realen Leben auf »ocelot, not just another bookstore«. Der Laden hat einfach Klasse und Atmosphäre und muss überleben. Noch stehen die Chancen gut.
Deshalb ein Appell von lustauflesen.de an alle Berliner, die in den kommenden Wochen Bücher kaufen möchten (und nicht nur die): Geht in die Brunnenstraße in Mitte zu ocelot. Stürmt den Laden. Die Onlinebestellung ist augenblicklich ausgesetzt, aber das soll kein Dauerzustand bleiben, so »ocelot«-Betreiber Klepp. Nur wenn möglichst viele Kunden »ocelot« die Treue halten und genausoviele neue Kunden hinzukommen kann und wird diese wundervolle Buchhandlung überleben.
Damit ocelot und damit ein Vorzeigeprojekt nicht stirbt, ist es an uns, dem Markt eine der wenigen Perlen zu bewahren, die Innovation zu erlauben und den Online-Riesen etwas entgegen zu setzen. Geht dieser Laden pleite, wäre das ein katastrophaler Fingerzeig für die ganze Branche. Ave Amazon, morituri te salutant.
So hat es Tilman von 54books heute formuliert. Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.