Mein Klassiker – Eine Leseverführung
Hier schreiben Schriftsteller übers Lesen. Genauer, über das Lesen von Klassikern. Gleichzeitig fördern sie (und der Fischer Taschenbuchverlag) uns auf, alte literarische Schätze in der gewaltigen Flut der Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt nicht aus dem Auge zu verlieren. Gleichzeitig ist dieses Bändchen, das soll nicht verschwiegen werden, ein Marketinginstrument. Auf charmante und unterhaltsame Art macht der Fischer Verlag hier mit Hilfe namhafter Autoren Werbung für seine Taschenbuchreihe „Fischer Klassik“.
Die Klassiker der Moderne, allen voran Thomas Mann, Stefan Zweig, Franz Kafka und Carl Zuckmayer, haben in der langen Geschichte des S. Fischer Verlages immer eine große Rolle gespielt; nun besinnt sich der Verlag erneut auch auf die früheren Klassiker. Mit „Fischer Klassik“ wurde eine umfangreiche Taschenbuchreihe gestartet, in der Meisterwerke der Weltliteratur in guten Editionen, bei fremdsprachigen Texten in aktuellen und zuverlässigen Übersetzungen und zu günstigen Preisen neu- oder wiederzuentdecken sind.
Die Reihe existiert nun seit einigen Jahren, hats sich bewährt und wird ständig erweitert. Zum Auftakt wurden damals in einer kleinen Anthologie Texte zeitgenössischer Schriftsteller versammelt, die über ihre Sicht auf die Klassiker, ihre ganz privaten Lesemotivationen und – erfahrungen berichteten. Das schmale Bändchen ist noch erhältlich und immer noch lesenswert.
Da beschreibt Marlene Streeruwitz ihre Begegnung mit Ovid im Freibad, berichtet Richard Powers von der eigentlich verbotenen Lektüre am Arbeitsplatz in den nächtlichen Docks, lobt Dieter Forte die einzigartige Sprachgewalt Döblins, erinnert sich Julia Franck an das rasende Herzklopfen beim Lesen von Büchner oder führt Albert Manguel ein Lesertagebuch über seine Annäherung an Cervantes. Weitere Beiträger waren unter anderem: Günter de Bruyn, Felicitas Hoppe, Josef Haslinger, Maike Wetzel, Zsuzsa Bank, Thomas Brussig, Dieter Kühn und Birgit Vanderbeke.
Es sind ganz private Bekenntnisse, die hier ausgebreitet werden, die sich mitunter beinahe hermetisch sträuben, von außen verstanden zu werden, aber ebenso oft voller Begeisterung von der Freude an erste Exkursionen in die fremden Lande der Literatur berichten. Es fällt auf, daß die Autoren mit einzelnen Büchern häufig konkrete Orte und Stimmungen verbinden, daß oft ihre Pubertätsjahre der Zeitpunkt für die Entdeckung der Literatur sind und ebenso häufig Schule und Studium ihnen die Liebe zu einzelnen Texten und Autoren aus dem Herz gerissen haben. Wer Literatur liebt, stellt immer wieder überrascht und freudig fest, wie sich die eigenen Erfahrungen mit denen der anderen, in diesem Band beschriebenen, decken. Das Erwachen der Liebe zur Literatur ist, ähnlich dem Erwachen der körperlichen Liebe, ein individuell durchlebter Prozess, der aber bei genauem Hinsehen im Kollektiv ähnlich verläuft; die Schmerzen, und Freuden, die Enttäuschungen und Erfüllungen, die in dem Bändchen „Mein Klassiker“ ausgebreitet werden sind somit einerseits fremd und andererseits vertraut. Auf jeden Fall machen sie Lust, den ein oder anderen Klassiker (wieder) zur Hand zu nehmen.
Hrsg. v. Sascha Michel, Mirjam Neusius u. Lea Katharina Ostmann.
Broschur, 176 Seiten.
Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch 2008
Die Reihe „Fischer Klassik“ spannt einen Bogen über die gesamte Weltliteratur. Der zuständige Programmleiter, Jörg Bong, betont ausdrücklich, daß hier nicht der Versuch unternommen wird, einen Literaturkanon aufstellen zu wollen; der sei nämlich wie alle zuvor unternommenen Versuche zum Scheitern verurteilt. Nein, es gehe einzig um die Freude der Wiederentdeckung, schreibt er auf der Webseite zur Reihe:
Gerade in unserer Zeit des schnellen Wandels ist es wichtig, sich zu besinnen auf Bücher, die Bestand haben. „Es ist seltsam, dass man ein Buch gar nicht einfach lesen kann: man kann es nur wiederlesen. Ein guter Leser ist immer ein Wieder- Leser“, schrieb Vladimir Nabokov.
Viel Wert wird auf philologisch zuverlässige Texte und bei fremdsprachlichen Texten auf aktuelle Übersetzungen gelegt. Außerdem wird jedem Band der Reihe der betreffende Artikel aus Kindlers Literatur Lexikon beigefügt; und zwar als Vorabdruck der dritten, völlig neu bearbeiteten Auflage des Lexikons, die erst im Jahr 2009 erscheinen wird. Alle Bände enthalten darüber hinaus ausführliche und solide Autorenchroniken: für deren Qualität bürgt die Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT+KRITIK (hrsg. von Heinz Ludwig Arnold), die sie eigens für Fischer Klassik verfasst hat.
Hier eine Liste mit Titeln der Reihe Fischer Klassik bei buchandel.de.
Mein Fazit: Eine schöne Reihe, die Wert auf die Ausstattung der Bücher legt, auf gutes Papier, gutes Schriftbild, angenehme Umschlaggestaltung und einen akzeptablen Preis. Und ich garantiere, spätestens nach der Lektüre der kleinen Anthologie „Mein Klassiker“ wird die Lust am klassichen Text wieder aufs Neue entfacht.