Agentur OSTKREUZ – Garant für Qualität
Der diesjährige Konrad-Wolf-Preis der Berliner Akademie der Künste ist am 20. Oktober an die Fotografen der Agentur OSTKREUZ verliehen worden. (Hier ein Link zur Begründung der Jury auf den Webseiten der Akademie der Künste.) OSTKREUZ, gegründet 1990, gilt zurecht als die bedeutendste unabhängige und von Fotografen eigenverantwortlich geführte Fotoagentur in Deutschland. 18 Mitglieder umfasst die Vereinigung derzeit; ihre Namen seien hier alle genannt: Jörg Brüggemann, Espen Eichhöfer, Sibylle Fendt, Annette Hauschild, Harald Hauswald, Pepa Hristova, Tobias Kruse, Ute Mahler, Werner Mahler, Dawin Meckel, Thomas Meyer, Julian Röder, Frank Schinski, Jordis Antonia Schlösser, Anne Schönharting, Linn Schröder, Heinrich Völkel und Maurice Weiss. Alle gehören unterschiedlichen Generationen an, alle haben ganz unterschiedliche Arbeitsweisen. Alle arbeiten weltweit für große, namhafte Magazine und Zeitschriften, dürfen sich mitunter Aufträge aussuchen und weitaus mehr mitbestimmen bei der Auswahl der Fotos als das sonst üblich ist. Die beruflichen Wege und Karrieren der „Ostkreuzler“ sind different, aber vereint sind die Fotografinnen und Fotografen im gemeinsamen Anspruch, die Welt und ihre sozialen, politischen und gesellschaftlichen Realitäten in besonderer Weise abzubilden. Besonders deutlich wird dies in den großen Gemeinschaftsausstellungen. Alle zwei Jahre setzen sich die OSTKREUZ-Fotografen ein Thema, zu dem alle ihren jeweils ganz individuellen Beitrag beisteuern. Beeindruckende Fotobände dokumentieren die Ergebnisse. 2012 lautete das Thema „Über Grenzen“.
Grenzen können politisch, geographisch, sozial, psychologisch, ökonomische, individuell und noch vieles mehr sein. Immer haben sie etwas trennendes, nicht immer sind sie überwindbar. Sich Grenzen zu nähern, über Grenzen zu schauen und nachzudenken haben sich die Fotografinnen und Fotografen von OSTKREUZ vorgenommen. Die Ergebnisse sind vielfältig und überraschend.
OSTKREUZ – Agentur der Fotografen (zweispr. deutsch/englisch)
Broschur, fadengeheftet, 296 Seiten mit 160 Abbildungen
Ostfildern: Hatje Cantz 2012
Annette Hauschild zeigt die Ausgrenzung von Sinti und Roma, Jörg Brüggemann die Absurdität der Frontlinie zwischen Nord- und Südkorea, Sybylle Fendt kontrastiert Porträts von Asylsuchenden mit der klinischen Septik von Büros und Aktenregalen, Jordis Antonia Schlösser dringt ein die abgeschottete Welt der chinesischen Sweat-Shops der Bekleidungsindustrie in Italien, Julian Röder begleitet Beamte der (gerade wieder kontrovers diskutierten) Agentur Frontex, Anne Schönharting besucht Menschen im Schatten der Mauern und Zäune, die in Belfast (immer noch) Protestanten und Katholiken voneinander trennen, Frank Schinski biete selten gewährte Blicke hinter die Kulissen des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag und Pepa Hristovazeigt zeigt die ummauerte Welt, in die Waisenkinder und kleine Menschen mit Behinderung in Bulgarien abgeschoben werden. Besonders intensiv fand ich die Reportage von Tobias Kruse. Unter dem Titel „Terminal“ zeigt er einen Schattenort mitten in Tel Aviv, ein ehemaliger und heruntergekommener Busbahnhof, in dem Homosexuelle, Prostituierte, Aussteiger und Gescheiterte gestrandet sind. Überwiegend sind es Palästinenser, die auch aufgrund ihrer Lebenseinstellung und Lebensnot hier wie dort ihre Heimat verloren haben und auf der Grenze, zwischen den Welten, leben.
Zwei Jahre zuvor, 2010, lautete das Thema der Gemeinschaftsausstellung: „Die Stadt: Vom Werden und Vergehen“. Auch diese Ausstellung ist in einem ebenso lohnenden und ebenso schön gestalteteten Fotoband dokumentiert. Das Leben in der und gegen die Stadt, die Metropole als landfressender Moloch, als Flickenteppich aus Slums, als Sehnsuchtsort oder als Hölle sind hier die Themen.
OSTKREUZ – Agentur der Fotografen (zweispr. deutsch/englisch)
Gebunden, 296 Seiten mit 170 Abbildungen
Ostfildern: Hatje Cantz 2010
Beide Bücher belegen, bei aller jeweils ganz individueller Annäherung der verschiedenen OSTKREUZ-Mitglieder, die gemeinsame Arbeitshaltung, das gemeinsame Arbeitsethos der Vereinigung. Sie wollen gesellschaftliche Realität geduldig beobachteten und präzise abbildeten, sie wollten ihre Haltung nicht aufgeben, ihre Aufrichtigkeit und Anteilnahme den Menschen und Ereignissen gegenüber. Die Reportagen sind niemals reisserisch, niemals verletzend und zeugen immer von einem durch Humanität und den Glauben an individuelle Freiheit geprägten Menschenbild. Es ist beachtlich und lobenswert, daß die Fotografinnen und Fotografen der Agentur OSTKREUZ in ihren von Markt und Marketing, von Schnellebigkeit und Sensation getriebenen Arbeitswelten auf diesem Ethos beharren und es bewahren wollen.