Alles relativ … oder!? – 100 Jahre »Allgemeine Relativitätstheorie«
Als junger Mensch soll Albert Einstein mit Begeisterung Bücher verschlungen haben, die ihm die Gesetze der Natur und ihre Wissenschaften erklärt haben. Eines dieser Werke war Der Kosmos von Alexander von Humboldt, ein epochales Werk und einer der Grundsteine der populärwissenschaftlichen Literatur. Bis heute erfreuen sich Bücher großer Beliebtheit, die allgemeinverständlich große Erklärungsmodelle der Naturwissenschaften interdisziplinär zu erläutern versuchen und sich auch nicht vor philosophischen und erkenntnistheoretischen Fragen scheuen. Dass er selbst eines Tages einer der großen »Ingenieure des Universums« genannt werden sollte, konnte der junge Einstein damals nicht ahnen.

Ein Hammerschlag erschüttert die Physik
Du siehst, mein Sohn, zum Raum wird hier die Zeit.
(Richard Wagner: Parsifal, 1. Aufzug)

Am 25. November 1915 präsentierte Albert Einstein in der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin erstmals öffentlich seine Allgemeine Relativitätstheorie. Sie sollte die Grundfesten der Physik erschüttern, und bis heute hält sie Naturwissenschaftler in Atem. Einsteins revolutionärer Ansatz betrachtet die Gravitation als bestimmende Kraft im Universum, sie »verkrümmt« Raum und Zeit. Die Schwerkraft bewirkt, dass große Körper wie etwa Planeten und Sterne gewissermaßen Dellen in die glatte Fläche des Universums drücken. Wie auf einem Gummituch unterschiedlich schwere Kugeln unterschiedlich tief einsinken, so drücken auch Sterne und Galaxien unterschiedlich große Beulen in die Raumzeit. Wie Murmeln rollen sie durch eine hügelige Landschaft, bei der in den tiefen Tälern die höchste Anziehungskraft wirkt.
Schon mit der Speziellen Relativitätstheorie hatte Einstein an den Grundfesten der Physik gerüttelt, die Isaak Newton errichtet hatte. Die Allgemeine Relativitätstheorie brachte das bis dahin (einigermaßen) stabil wirkende Gebäude der Physik endgültig zum Einsturz. Die Basis für diese revolutionäre Arbeit hatte Einstein im sogenannten »annus mirabilis« 1904 gelegt, als er kurz hintereinander drei kleinere Schriften zur Physik des Lichtes und der Elekrtrodynamik vorlegte. Diese Aufsätze wurden auch an erster Stelle in der Begründung zur Verleihung des Nobelpreises für Physik im Jahre 1921 genannt. Überreicht wurde Einstein der Preis allerdings erst 1922. Doch damit genug Wissenschaftsgeschichte, kehren wir zum jungen Albert zurück, der sich in Büchern gerne die Naturwissenschaft erklären ließ, und damit zum Anlass dieses Beitrages. Auch Einsteins Relativitätstheorie erlebte unzählige Erklärungsversuche, mal mehr und mal weniger (allgemein)verständlich.
Die Relativitätstheorie – Wie Albert Einstein sie erklärt
Zwei Klassiker der allgemeinverständlichen Literatur über die Relativitätstheorie sollen hier vorgestellt werden, zwei Texte von ausgewiesenen Kennern der Materie, nämlich Albert Einstein selbst und Max Born. Sie helfen vortrefflich, die komplexen Zusammenhänge der Relativitätstheorie (zumindest in den wichtigsten Grundzügen) zu verstehen, vorausgesetzt, der Leser ist bereit, einige Mühen und etwas Zeit zu investieren. Über beiden Publikationen könnte als Motto stehen:
Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.
(Albert Einstein)

Es ist ein schmales Bändchen, in dem Einstein versucht, die eigenen Theorien nachvollziehbar und einfach darzulegen. Doch trotz oder gerade wegen des geringen Umfangs sollte in die Lektüre eine gehörige Portion Geduld und Durchhaltewille investiert werden. Für alle Mathe-Phobiker das wichtigste zuerst. Einstein verzichtet (nahezu) vollständig auf Formeln und Gleichungen. Das Buch ist mit soliden Kenntnissen der Naturwissenschaften auf gymnasialem Grundkursniveau zu bewältigen. Logisch aufeinander aufbauend erläutert Einstein erst die spezielle Relativitätstheorie, dann die Allgemeine. Hauptunterschied zwischen beiden ist der Einfluss der Gravitationskraft. Sie ist, das ist der wesentliche Punkt der Relativitätstheorie, nicht von der Beschleunigungskraft zu unterscheiden, zumindest in geschlossenen Systemen.
Der Verfasser hat sich die größte Mühe gegeben, die Hauptgedanken möglichst deutlich und einfach vorzubringen, im ganzen in solcher Reihenfolge und in solchem Zusammenhange, wie sie tatsächlich entstanden sind. Im Interesse der Deutlichkeit erschien es mir unvermeidlich, mich oft zu wiederholen, ohne auf die Eleganz der Darstellung die geringste Rücksicht zu nehmen; ich hielt mich gewissenhaft an die Vorschrift des genialen Theoretikers L. Boltzmann, man solle die Eleganz Sache der Schneider und Schuster sein lassen.
Gleich im Vorwort liefert Einstein die Entschuldigung dafür, dass sein Büchlein in Wortwahl und Satzbau mitunter etwas antiquiert und gestelzt wirkt. Allerdings findet er immer wieder treffende und überraschend-erhellende Analogien und Besispiele aus der Alltagsphysik. Für das kleine Bändchen spricht die Nähe des Autors zum Thema. Wenn einem der Erfinder der Relativitätstheorie diese selbst erklärt, lohnt es ich durchaus zuzuhören. Über die spezielle und allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein zählt unbestritten zum klassischen Kanon der leichtverständlichen Einführungen in die Relativitätstheorie. Es liegt inzwischen in der 24. Auflage vor, das verrät einiges über seine Qualitäten.
Albert Einstein: Über die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie
24. durchges.Auflage
Softcover, X, 112 Seiten mit 4 Abb.
Berlin, Heidelberg, New York: Springer-Verlag 2009
Max Born – Mit mathematischen Skribbeleien tiefer vordringen
Wer Einsteins Einführung erfolgreich (und mit Gewinn) gemeistert hat, kann mit Die Relativitätstheorie Einsteins von Max Born tiefer in die Materie einsteigen. Born, auch er einer der wichtigsten Köpfe der Physik im 20. Jahrhundert, startet seine Abhandlung, deren erste Fssung 1920 erschienen ist, mit einem Abriss der Grundgesetze der klassichen Physik, also Mechanik, Optik, Elektrodynamik. Er legt dabei von Anfang an ein besonderes Augenmerk auf die Begriffe des Raumes und der Zeit. Versehen mit diesen (überaus wichtigen) Grundlagen werden erst die spezielle und dann die allgemeine Relativitätstheorie entwickelt. Born verzichtet in seinem Buch weitestgehend auf sprachliche Bilder, Vergleiche und Analogien, Born konzentriert sich auf die physikalischen Kernaussagen und deren Ableitungen und Beziehungen. Anders als Einstein serviert Max Born seinen Leserinnen und Lesern eine gehörige Portion Mathematik, auch wenn eine Binsenweisheit zu populärwissenschaftlichen Büchern anmerkt, jede Formel oder mathematische Gleichung halbiere die Leserschaft.

Viele der für das Verständnis notwendigen mathematischen Arbeiten lassen sich mit einem »Skribbel-Block« neben dem aufgeschlagenen Buch aber sehr gut vom »engagierten Laien« nachvollziehen. Born setzt auf »einfache Schulmathematik«, was etwas untertrieben ist. Eine solide mathematische Basis auf den Gebieten der Geometrie, Arithemtik und Algebra sollte der Leser schon mitbringen, vertiefte Kenntnisse der Differential- und Integralrechnung sind nicht(!) vonnöten. Das Buch fordert dennoch einen aufmerksamen, geduldigen und lernbereiten »Studenten«, der belohnt wird mit tiefgehendem Verständnis und Aha-Erlebnissen auf gesteigertem Niveau, sofern er bereit und willens ist, den Schritt vom Populären zum Wissenschaftlichen zu wagen.

Kommentiert und erweitert von Jürgen Ehlers und Markus Pössel
7. Auflage (Die 5. Auflg. entstand unter Mitarb. v. Walter Biem)
Geb., XIV, 502 Seiten m. 183 Abb.
Berlin, Heidelberg, New York: Springer-Verlag 2003
Die vorliegende 7. von Jürgen Ehlers und Markus Pössel kommentierte und erweiterte Neuauflage belässt Borns Text (1964 letztmalig von ihm überarbeitet) als historisches Dokument, ergänzt ihn aber um ein umfangreiches Kapitel (ca. 140 Seiten) über neue und neueste Entwicklungen auf dem Gebiet der Allgemeinen Relativitätstheorie und der Gravitation. Die angefügte Literaturliste ist kurz, knapp und ordnet die ausgewählten Werke nach Themenkreis und Schwierigkeitsgrad. Wie das Bornsche Werk, verdienen es auch alle hier verzeichneten Bücher ausnahmslos, empfohlen zu werden.