Die Erfindung des Menschlichen – Harold Bloom erklärt Williams Welt
Die Literaturszen feiert den 450. Geburtstag von William Shakespeare. Und wie immer zu runden Wiegenfesten und anderen Jubiläen werfen die Verlage Mengen neuer Bücher auf den Markt. So auch beim Barden von Stratford. In der Buchhandlung meines Vertrauens habe ich neulich einen Sondertisch zu Shakespeare gescannt. Dabei fiel mir auf, daß mich eigentlich nichts davon interessiert. Warum? Weil ich auch heute noch von einem Buch zu Shakespeare begeistert bin, das bereits im Jahr 2000 erschienen ist.
Deshalb hier noch einmal eine Lobeshymne auf Harold Bloom und sein gewaltiges Werk Shakespeare – Die Entdeckung der Menschlichkeit.
Die Erfindung des Menschlichen – Harold Bloom erklärt uns Williams Welt
Eigentlich ist das, was Harold Bloom in seinem großen Buch über William Shakespeare macht, ganz banal. Er liest einfach nur die Dramen des großen Barden aus Stratford und erläutert sie. Stück für Stück im wahrsten Sinne des Wortes.
Dieser Analyse der einzelnen Bühnenwerke legt Bloom eine auf den ersten Blick ganz einache These zu Grunde: Der große Dichter war nicht nur der Schöpfer der modenen englischen Sprache, sondern er „erfand“ auch das, was wir den „menschlichen Charakter“ nennen. Vor Shakespeare, sagt Harold Bloom, gab es in der Literatur nur die grobe Zuweisung oder Etikettierung von Charakterzügen; nach Shakespeare gab es Charaktere, Männer und Frauen, die hoch individuell gezeichnet sind und zugleich in der Lage, sich zu ändern.
Um diese These zu belegen führt Bloom den Leser in ganz einfacher und verständlicher Sprache durch jedes einzelne von Shakespeares Dramen. Sein unkonventioneller Stil, sein enormes Hintergrundwissen und seine spürbare Begeisterung für das Thema machen den Text zu einem fesselnden Strudel.
Immer wieder überrascht Bloom mit sehr persönlichen Urteilen und sagt offen und ehrlich, welche Figuren zu seinen Lieblingen zählen und welche nicht.
Die Erfindung der Menschlichkeit
Aus dem Englischen von Peter Knecht
Gebunden, 1066 Seiten
Berlin: Berlin Verlag 2000
Das Buch ist leider nur noch antiquarisch erhältlich. Zum Beispiel bei: Zvab.com.
Wie immer in seinen Büchern ist Bloom auch hier wieder selbst der eigentliche Held – unerschrocken bricht er mit literaturwisenschaftlichen Tabus, gibt kecke Hinweise, wie Shakespearedramen seiner Meinung nach inszeniert werden müssen und ist abwechselnd polemisch oder dogamatisch. Gleichzeitig versucht er der Frage nachzugehen, was es heißt menschlich zu sein. Gleichzeitig krankt das Werk ein wenig an Blooms Selbsverliebtheit. Er jongliert mit viel subjektiv gefärbtem Wissen, wirft es in die Luft, fängt es auf, läßt es auf den Boden purzeln, fegt es beiseite, um es dann wenig später wieder aufzuklauben. So brilliant die Jonlage auch ist, sie hat mitunter Längen und der Leser fragt sich, wann kommt der nächste Trick.
Unterm Strich aber bleibt: das ist amüsant zu lesen. Bloom hat einen kurzweiligen Begeleiter durch Williams Welt vorgelegt. Shakespeare. Die Erfindung des Menschlichkeit belegt einmal mehr, warum der Barde aus Stratford seit vier Jahrhunderten zu den populärsten und universalsten Dramatikern nicht nur der westlich geprägten Weltliteratur zählt.