Kleine Bilanz zur Buchmesse Leipzig 2015
Dies ist meine erste Buchmesse als Literaturblogger gewesen; kaum zu glauben, aber wahr. Drei Tage, randvoll mit Terminen, Gesprächen, neugierigem Schweifen durch die von Menschenmassen überlaufenen Hallen und vielen Eindrücken und Informationen, die noch längst nicht vollständig verdaut und verarbeitet sind. Doch eine erste, kurze Bilanz soll hier für meine Leserinnen und Leser gezogen werden.
Die Preisverleihung
Ein erster Höhepunkt war die Verleihung des Preises der Leipziger Buchmesse, auch wenn die große Glashalle mit ihrem Charne eines Bahnhofes wirkliche Feierstimmung nicht aufkommen läßt. Mit Jan Wagner und seinen Regentonnenvariationen hat die Jury erstmals einen Lyrikband in der Kategorie Belletristik ausgezeichnet. Mich diese unter dem Strich mutige Entscheidung sehr gefreut. Vor Gedichten schrecken viele Leser immer noch zurück, leider, denn diese konzentrierte Form der Literatur mit ihrer »verdichteten Sprache« biete so viele Reize und Schönheiten, auch für die kurze Entspannungslektüre zwischendurch. Jan Wagner ist ein sehr bescheidener, freundlicher und offener Mensch; beim Besuch in der Bloggerlounge haben er und einige andere Autorinnen, Autoren und Übersetzer sich viel Zeit für Gespräche und Diskussionen genommen. Ein Austausch über Literatur, wie er nicht häufig vorkommt. (Andere entzogen sich diesem Austausch allerdings sehr schnell und wortkarg, schade.)
Ápropos Bloggerlounge; die Leipziger Buchmesse hat, auch das ein Novum, den Literaturbloggerinnen und – bloggern in diesem Jahr viel Beachtung geschenkt. Unter anderem wurden zum Preis der Buchmesse auch Bloggerpaten eingeladen, eine Anerkennung und Auszeichnung der Vermittlungsarbeit, die in zahlreichen Blogs für die Literatur und das gute Buch geleistet werden, könnte man meinen. Leider war die Aktion nicht bis zum Ende durchdacht, die Paten hingen ein wenig in der Luft, obwohl sie sich in ihren Paten-Beiträgen sehr intensiv (oft unter erheblichen Mühen) mit komplexen Büchern, Texten, Themen und Autoren auseinandergesetzt haben. Eine Gesprächsrunde mit 10 Nominierten, darunter alle drei Preisträger, legte offen, wie wenig das komminiziert und verbreitet wurde, die Mehrzahl der Autoren wusste davon gar nichts und ihre Verlage ebensowenig.
Waren Bloggerpaten, Bloggerbetreuung und Bloggerlounge also nur ein PR-Gag? Oliver Zille, Direktor der Buchmesse verneint das entschieden und regte an, Versäumnisse und Fehler offen zu kritisieren. Auch Buch- und Literaturbloggern, betonte er, will die Messe eine gleichberechtigte Arbeitsplattform bieten; denn die Messe, so Zille, sei ein Vermittlungsort zwischen Buchbranche und Leserinnen und Lesern, in diesem Prozess hätten sich die Blogs längst zu gleichwertigen Partnern entwickelt. Um diesem Anspruch wirklich gerecht zu werden, muss am »Bloggerkonzept« der Messe aber noch kräftig gefeilt werden. Dennoch, ein (hoffnungsvoller) Anfang ist gemacht und den möchte ich nicht gleich verteufeln. Lieber Herr Zille, Sie bekommen demnächst Post von mir; auch im Auftrag und Namen meiner Leserinnen und Leser, denn die sollen und wollen ja von meinen Messebesuchen am Ende profitieren. Auch Tilman von 54books.de, selber einer der Bloggerpaten, hat sich dazu nachdenklich und kritisch geäußert, ebenso der Blog intellectures.
Von Stand zu Stand im Stundentakt
Bereits im Vorfeld haben sich bei lustauflesen.de viele Verlage gemeldet und zu Terminen eingeladen. Mich hat das überrascht und gleichzeitig gefreut.
Alle Befürchtungen, nur gehätschelt und gepampert zu werden, weil die Leipziger Messe das »irgendwie vorgegeben« hat, waren schnell ausgeräumt. Ganz nebenbei, ich selbst möchte auch gar nicht gehätschelt, sondern von den Verlagen ernst genommen werden. Sehr angenehm war es, dann schnell zu bemerken: ich bin stets auf Augenhöhe empfangen worden, man kannte meinen Blog und meine Texte; mein journalistisches Selbstverständnis als Blogger wurde ehrlich abgefragt, hinterfragt und anerkannt. Ich fühlte mich akzeptiert als ein Teil des literaturkritischen Betriebes, als ein Bindeglied, ein Vermittler zwischen Autoren, Verlagen und Lesern. Ich hatte nicht den Eindruck, um Informationen oder Rezensionsexemplare betteln zu müssen, auch nicht das Gefühl, dass von mir nur positive, unkritische Beiträge (aka Werbung) erwartet werden. Natürlich bin ich als Blogger auch Teil der großen PR-Maschinerie, die neben allen literarischen und kulturellen Werten unter der Haube der Buchbranche tuckert und das Business antreibt, aber meine freie Entscheidung, welchen Regeln des Spiels ich mich unterwerfe und wann ich ausschere und frei bleibe, wurde durchgängig akzeptiert und geschätzt. Keine Mitarbeiterin und kein Mitarbieter eines der von mir kontaktierten oder mich kontaktierenden Verlage hat die Nase gerümpft, wenn ich Hinweise auf publikumswirksame Titel und Autoren ausgeschlagen habe und stattdessen über (weniger umsatzträchtige) gehobene Belletristik und anspruchsvolle Sachliteratur reden wollte. Das gilt für die kleinen, sehr regen unabhängigen Verlage ebenso wie für die großen Häuser.
Kurzum; ich habe höchst aufschlussreiche Einblicke in einige Herbstprogramm erhalten, aktuelle Neuerscheinungen des Frühjahrs gesichtet, über besondere Buchprojekte gesprochen und mir nach und nach eine umfangreiche Lektüreliste zusammengestellt. Ich werde das, was ich ausgewählt habe, für Euch (und für mich natürlich) sichten, lesen, kommentieren und besprechen. Ich verspreche Euch, die kommenden Wochen und Monate werden sehr spannend und ich bin neugierig darauf, ob Euch die von mir vorgestellten Bücher gefallen. Darunter sind unter anderem auch einige Bücher, die in Gestaltung und Aufmachung Maßstäbe setzen und wundervolle Objekt der Buchkunst sind, gegen die kein E-Book der Welt »anstinken« kann. Ihr wisst ja, lustauflesen.de wandert gerne auf der Borderline zwischen bibliophil und biblioman!
Buchmesse? – Auch privat ein Vergnügen!
Zum Abschluss sei mir eine kleine, aber sehr wichtige private Bemerkung gestattet. Auf der Buchmesse habe ich, nicht zuletzt durch die Aktivitäten in der Bloggerlounge und die informativen Bloggerunden bei den Verlagen, viele meiner Kolleginnen und Kollegen (endlich einmal) persönlich kennengelernt.
Wir haben diskutiert, gelacht und gealbert, Peer Steinbrück zu einem gemeinsamen Sekt beim Manesse Verlag überredet (danke, Tilman), gefeiert und viel Spaß gehabt. Es war mir ein Riesenvergnügen und ich freue mich, Euch alle spätestens in Frankfurt auf der Buchmesse erneut zu treffen und dann auch alle anderen zu sehen, die ich im Leipziger Termintrubel leider verpasst habe.
Meinen Leserinnen und Lesern empfehle ich, lest auch die schönen Blogs der anderen. Dort schreiben »buchverrückte« Menschen wie ich und ihr findet dort vieles, was Ihr bei mir nicht findet. Ich hänge hier jetzt ad hoc keine Liste an, das wäre unfair, weil ich sicher einige der von mir geschätzten Mitbloggerinnen und -blogger vergessen würde. Aber, ich werde in Kürze meine Archivseite komplett überarbeiten und dann werdet Ihr dort auch eine Liste empfehlenswerter Blogs finden. Versprochen!
P.S.: Am Ende noch ein Hinweis auf einen lohnenden Artikel der Deutschen Presseagentur (dpa), den unter anderem auch die Süddeutsche Zeitung in ihr Onlineangebot übernommen hat. Darin beweisen Sophie von Literaturen, Karla von Buchkolumne und Tobias von Buchrevier, wo und wie sich BloggerInnen im Buch- und Verlagsgeschäft bewegen und was sie für Leser und Autoren erreichen möchten und können.