Buchpreislistendiskussion – Mein provokanter Abschluss
Zu wenige Frauen, die falschen Männer, zu langweilige Texte, zu wenig Gewagtes, zuviel Bewährtes, immer die Gleichen, keine Experimente! – Die Buchpreislistendiskussion hat mich/uns schwer beschäftigt, wie jedes Jahr eigentlich. Viele haben viel gesagt. lustauflesen.de hat nun eine radikale Konsequenz gezogen.
Um nicht zu langweilen, hier die Kurzfassung: Leseproben besorgt; durchgearbeitet; alle nominierten Bücher kenengelernt; scharfe Meinung gebildet; kann umfassend mitreden; mehr ist nicht nötig; basta.
Nee, jetzt im Ernst. Ich bin zunächst nervös geworden: nur eins der nominierten Bücher hatte ich gelesen. Dann, nach kritischer Selbstgefragung, „Liest Du die falschen Bücher? Bist Du nicht up to date? Rauscht die aktuelle deutsche Literatur komplett an Dir vorbei?“, fand ich meine persönliche Buchpreislistendiskussionsabschlusslösung. Wenn eine Jury, in der 7 Personen sitzen, aus rund 170 Büchern 20 Titel auswählen, dann ist und bleibt das eine subjektive Auswahl. Volle Unterstützung, zaghafter Widerspruch, totale Ablehnung, Alternativlisten; das nehme ich gern zu Kenntnis, führt aber nicht zu verändertem Leseverhalten oder -vorlieben.
Ich habe die Liste durchgesehen, habe aktuelle und ältere Blogbeiträge und Rezensionen gelesen und festgestellt, dass mich die meisten Titel wenig bis gar nicht interessieren (interessiert haben) und ein Drang zu nachholender Lektüre sich nicht einstellen mag. Auf meinem eigenen Stapel liegen ganz andere Nominierte, Neuerscheinungen und klassisch Bewährtes, Frauen und Männer, schlechte, ja!, und gute Literatur. Diesen Stapel arbeite ich weiter ab und küre im Oktober meinen eigenen (Jahres-)Sieger. Warum verwirren und berirren lassen? Einfach zu den eigenen Vorlieben stehen!
Natürlich wird lustauflesen.de die Preisverleihung am Vorabend der Frankfurter Buchmesse verfolgen. Natürlich werde ich dem Sieger, der Siegerin, gratulieren, leise oder laut. Vielleicht werde ich das Buch dann sogar lesen, vielleicht interessiert es mich aber immer noch nicht. Schau’n wer mal, dann seh’n wer schon. – Bis dahin sind mir die Longlist, der Buchpreis und die Diskussion darüber erst einmal egal.
7. Oktober 2014 @ 06:58
Man muss sich vom Listenwahnsinn ja auch nicht verrückt machen lassen. Ich bin einfach per se, schon auf beruflichen Gründen, daran interessiert, habe aber letztlich von der Shortlist auch nur einen Autor gelesen. Ich werde mir Lutz Seiler sicherlich noch ansehen, aber nicht, weil ich zu müssen glaube, sondern weil ich tatsächlich Interesse habe. Ich finde die Sichtweise, dass die (deutsche) Gegenwartsliteratur nur Mist hervorbringt genauso bedenklich wie eine blinde Lobhudelei, einfach, weil die Bücher im Gespräch sind. Es ist nicht alles so uninteressant wie viele es reden, aber auch längst nicht so spannend, wie die PR-Abteilungen es machen.
7. Oktober 2014 @ 09:41
Liebe Sophie, wie heißt es so schön im Internet-Neu-Deutsch:
»Full Ack!» lg_jochen
P.S.: Viel Spaß in F/M.
30. August 2014 @ 17:00
Lieber Herr Hund, gerne würde ich Ihnen Titel nennen. Doch dafür benötige ich etwas Zeit. Muss heute bis 22:00 Uhr noch arbeiten. Morgen stelle ich Ihnen gerne einige Buchtitel zusammen, von denen ich sagen kann, sie haben mich im vergangenen Jahr begeistert. (Einige finden Sie natürlich sofort, wenn Sie in lustauflesen.de nach unten scrollen.)
lg-jochen
30. August 2014 @ 16:27
Ich bin neugierig und für Empfehlungen dankbar: Wie sähe also Ihre Bestenliste für dieses Jahr aus? Ich selbst hätte da keine, da ich viel zu langsam lese, als dass genügend Bücher zusammenkommen würden.
Freundlichst
Ihr Herr Hund
29. August 2014 @ 16:38
Das unterschreibe ich gern.
So sehr ich auch aktuelle Romane (deutschsprachige und übersetzte) liebe, immer wieder frage ich mich, wieviele werden bleiben? Welche Autoren und Bücher wird in 50 oder gar 100 Jahren noch jemand kennen oder lesen?
Wobei es, anders herum betrachtet, auch sehr interessant ist, nachzuforschen, welche Autoren und Bücher zu Goethes Zeit (auch noch) gelesen wurden. Der Geheimrat war seinerzeit nicht der größte Bestseller und schon gar nicht der einzige. Es bleibt spannend.
30. August 2014 @ 15:20
Das stimmt. Und ich finde den Geheimrat ehrlich gesagt auch etwas überschätzt. Natürlich finden sich heute viele Wendungen Goethes immer noch in der Sprache wieder – aber als Lektüre finde ich ihn schlimm, da gibt es manches aus seiner Zeit, was unterhaltsamer ist.
29. August 2014 @ 06:53
Ich habe „aktuelle“ Literatur eine ganze Zeit lang gezielt an mir vorbeirauschen lassen, und mir stattdessen einen selbst zusammengestellten Kanon an Klassikern vorgenommen. Aktuelles kam dann von Jahr zu Jahr sporadisch dazu; wenn ich mal etwas mitbekommen habe, was ich interessant fand, oder eine gezielte Empfehlung erhielt. Obwohl ich weiterhin einen Berg an Klassikern vor mir habe (der schrumpft ja leider nicht so recht), hat das Aktuelle inzwischen etwas zugenommen. Manchmal staune ich, was es inzwischen Schönes gibt, bisweilen denke ich aber über ein Buch, dass es sowohl für den Leser als auch für den Autor reine Zeitverschwendung war.
Vieles, was als Neuerscheinung auf den Markt drängt, wird eben nur gehypt. Wenn es wirklich gut ist, ist es ein paar Jahre später immer noch interessant und kann bestehen.