Der manisch-depressive Teenager spricht – Frank Witzels Mega-Roman als Hörspiel
Bevor es in den Jahrgang 2016 des Deutschen Buchpreises geht, rücke ich den Preisträger des vergangenen Jahres nochmal ins Licht. Frank Witzel war mit Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969 ein überraschender Sieger und die Entscheidung der Jury für ihn eine mutige Wahl. Ich habe damals von Beginn an keinen Hehl daraus gemacht, dass der Roman »in seiner Mischung aus Wahn und Witz, formalem Wagemut und zeitgeschichtlicher Panoramatik« (so aus der Begründung der Jury) mein (Geheim)Favorit für den Preis war.

Witzels Erfindung beschert besondere Lektüreerfahrung, fordert und überfordert mitunter, aber ist immer ein Erlebnis. Warum, habe ich hier versucht zu beschreiben: Als aus Pop Politik wurde. Durch den Buchpreis erhielten Frank Witzel und der Matthes & Seitz Verlag große mediale Aufmerksamkeit und der sperrige Roman fand, ganz im Sinne des Preises, viele Leser, die den Teenager ansonsten übersehen oder ignoriert hätten. Die Zahl der verkauften Exemplare schnellte nach der Preisverleihung von 12.000 schlagartig auf über 50.000. Ein großer Erfolg für ein so umfangreiches und ungewöhnliches Buch. Wie bei Uwe Tellkamps Der Turm (Buchpreis 2008) steht auch hier auf einem anderen Blatt, ob alle Exemplare, die über die Ladentheken gingen, tatsächlich auch gelesen (und ausgelesen) wurden.
Jetzt kostenlos: Der Teenager als Hörspiel
Witzels Text hat inzwischen auch den Weg auf die Theaterbühne gefunden, im April in Berlin und im Mai in Stuttgart. Vor wenigen Tagen sendete Bayern 2 eine Hörspielfassung des Romans. Das besondere daran: diese Produktion ist über den (nie genug zu lobenden) Hörspielpool (hier das vollständige aktuelle Angebot) als kostenloser Download erhältlich.
Mit Edmund Telgenkämper, Jonas Nay, Valerie Tschplanowa, Shenja Lacher, Christiane Roßbach, Peter Fricke, Oliver Nägele, Götz Schulte / Musik: Frank Witzel / Bearbeitung: Leonhard Koppelmann/Frank Witzel / Regie: Leonhard Koppelmann

Für das Hörspiel hat Frank Witzel selbst die Musik beigesteuert, die Textbearbeitung und Realisation besorgte Leonhard Koppelmann. Witzels Text erweist sich für eine Hörspielproduktion als besonders geeignet, weil die Erzählstruktur des Romanes förmlich nach einer Vielzahl von Stimmen, Stimmungen, Musik und Geräuschen giert.
Das Aufheben der linearen und chronologischen Erzählweise ist hier eben nicht erzählerisches Mittel zum Zweck, sondern Ausdruck dieser „frei in der Zeit flottierenden Geschichtsschreibung“, mit der sich Frank Witzels Roman gegen die herkömmliche Deutung der Geschichtsschreibung und Interpretation wendet. (Bayern2 – Webseite)
Hier ist ein bemerkenswerter Transfer des Romans in ein anderes Medium gelungen. Holt Euch den kostenlosen Download, hört rein und lauscht, wie Witzel die politischen Verwerfungen in der BRD des Jahres 1969, sowie die Zeitgeschichte davor und danach, mit kindlich-spielerischer Fantasie und Erfindungsgabe durchdekliniert. Es lohnt sich.
Ebenfalls als Download bietet Bayern 2 ein Gespräch von Frank Witzel mit der Redakteurin Katharina Agatos über die Entstehung des Romans an. Ebenfalls hörenswert und für die Rezeption des Romanes wie des Hörspiels erhellend.
7. Juli 2016 @ 23:45
Danke für den Tipp. Habe das Hörspiel schon auf meinem i-pod. AmWochenende gehts los am Strand. Werde meine Eindrücke schildern. 1969 war ich 21 Jahre alt und freue mich wieder einzutauchen.
7. Juli 2016 @ 17:22
Danke dir für die Info! Das komplette Hörspiel werde ich mir heute oder morgen Abend in Ruhe anhören, aber ich kann schon mal sagen, dass mir die Auswahl der Sprechstimmen gefällt. Sehr sogar!
Liebste Grüße,
Tanja
7. Juli 2016 @ 17:50
Viel Spaß. Und nach dem Anhören, würde mich über eine Rückmeldung sehr freuen. lg_jochen
7. Juli 2016 @ 16:32
Vielen Dank für den Hinweis! Den Roman fand ich absolut großartig und bin gespannt, wie er als Hörspiel umgesetzt wurde. Hör ich mir am Wochenende mal an.
7. Juli 2016 @ 17:48
Auch das Hörspiel wird Dir gefallen, ganz bestimmt. lg_jochen
7. Juli 2016 @ 13:58
Danke für den Hinweis. Das Hörspiel werde ich mir dann antun – den Roman aber niemals wieder. Ich habe ihn bis zur Hälfte gelesen und dann einfach weiterverkauft – das war für mich einfach ein zu beliebiger Text.
7. Juli 2016 @ 17:52
Kann ich verstehen; Witzels Roman ist wahrlich nicht jedermanns Sache. Das Hörspiel bündelt einige der vielen Stränge und ist dadurch natürlich konzentrierter, so mein Eindruck. lg_jochen