Der Deutsche Buchpreis 2015 geht an Frank Witzel – Jawohl!
Herzlichen Glückwunsch an Frank Witzel Er hat am Abend in Frankfurt/M. für seinen Roman Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969 den mit 25.000 Euro dotierten Deutschen Buchpreis 2015 erhalten. Ein Glückwunsch geht auch an das gesamte Team seines Verlages Matthes & Seitz Berlin für den Mut, dieses ebenso grandiose wie sperrige Buch zu fördern und zu verlegen.

Nun, ganz privat und von ganzem Herzen. Jaaaa, er hat gewonnen! Ich bin überglücklich über diese mutige und überraschende Entscheidung der Jury. Seit ich Witzels Roman im März und April gelesen habe, wurde ich nicht müde für dieses Buch zu werben. Frank Witzel packt in seinen fulminanten Schelmenroman Pop und Politik, Klamauk und Ernst, Geschichte und Fiktion so meisterhaft und verschroben zwischen zwei Buchdeckel, wie dies vor ihm noch kein Autor in Deutschland gewagt hat. Im Kreis der Buchpreisblogger wurde ich nicht müde, den Teenager immer wieder zu preisen. Zu meiner großen Freude hat das auch die Jury so gesehen und begründet ihre Entscheidung für Frank Witzel folgendermaßen:
Frank Witzels Werk ist ein im besten Sinne maßloses Romankonstrukt. Erzählt wird die Geschichte eines Jungen aus der hessischen Provinz, der sich im Alter von dreizehneinhalb auf der Schwelle zum Erwachsenwerden befindet. In diese Geschichte eingewoben ist das politische Erwachen der alten Bundesrepublik, die beginnt, sich vom Muff der unmittelbaren Nachkriegszeit zu befreien. Diese Ära des Umbruchs wird heraufbeschworen in disparaten Episoden, die unterschiedlichste literarische Formen durchspielen, vom inneren Monolog über die Action-Szene oder das Gesprächsprotokoll bis zum philosophischen Traktat. Der Roman »Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969« ist in seiner Mischung aus Wahn und Witz, formalem Wagemut und zeitgeschichtlicher Panoramatik einzigartig in der deutschsprachigen Literatur. Frank Witzel begibt sich auf das ungesicherte Terrain eines spekulativen Realismus. Mit dem Deutschen Buchpreis wird ein genialisches Sprachkunstwerk ausgezeichnet, das ein großer Steinbruch ist, ein hybrides Kompendium aus Pop, Politik und Paranoia.
Die Jury hat sich für den vermeintlichen Aussenseiter entschieden, das sperrigste Buch auf der Shortlist und mit 800 Seiten das dickste. Damit hat sie Mut bewiesen und allen Unken widersprochen, die ihre Rufe von der Bedeutungslosigkeit und der Irrelevanz des Buchpreises nicht verstummen lassen. Wer Witzels Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969 zum Sieger kürt, schert sich nicht vorrangig um gute Vermarktung, Mainstream, Massentauglichkeit und stromlinienförmige Literatur. Hier wurde ein Buch ausgezeichnet, das in Stil, Sprache und Form einmalig und aussergewohnlich ist, vielleicht wirklich der beste deutsche Roman des Jahres. Chapeau, liebe Jury! Sie haben gute Arbeit geleistet.
Zum Schluss soll der Autor zu Wort kommen, der bei der Preisverleihung, sichtlich konsterniert, völlig überrascht vom unverhofften Triumph und gänzlich unvorbereitet auf dem Siegertreppchen stand. Aber die Probleme mit seinem langen Romantitel legte er endgültig ad acta.
Ab heute erlaube ich jedem, es einfach nur »Die Erfindung« zu nennen.
Meine ausführliche Lobeshymne auf Frank Witzel hier: Als aus Pop Politik wurde.
Und mit Ulrike Sárkány habe ich für die Sendung BücherLeben auf NDR-Kultur über Witzels Roman gesprochen.
Kaffehaussitzer und Buchpreisblogger-Kollege Uwe Kalkowski liest noch, zeigte sich aber ebenfalls von Beginn an begeistert.
Auch Thomas Hummitzsch hat auf seinem Blog intellectures eine lesenswerte Lobeshymne auf den Roman angestimmt.