Das Lesen der Anderen oder Pack die Bücher in den Koffer
Viele kennen sie schon, die wundervolle Reihe der Bücherkoffer auf Philea’s Blog; einige vielleicht noch nicht. Deshalb hier etwas Werbung und ein Reblog des Koffers, den ich dort packen durfte.
Alle bislang gepackten Koffer im Überblick.
Einen meiner Lieblingskoffer füllte übrigens Stephan Porombka.
Und hier nun, gewissermaßen in Zweitverwertung, der von mir befüllte Bücherkoffer. Eigentlich ist es nur eine pralle Reisetasche, da Urlaubslektüre immer im Handgepäck landet. Das wird nämlich nicht gewogen und darf deshalb richtig schwer sein.
Also, das ist jetzt ein wenig peinlich. Ich packe hier nämlich einen Bücherkoffer für eine Reise, die schon vorbei ist; Dublin – Galway – Doolin – Dingle – Kenmare – Dublin: das war Ende Mai/Anfang Juni die Reiseroute. Bei schönstem Wetter, ganz ohne irischen Landregen. Ja, so geht es auch.
Dies ist eine ganz und gar irische Büchertasche und eine virtuelle. Das hätte ich einpacken können! – Oder müssen? – Egal, ist eh zu spät. Hätte aber in jedem Fall eine (mögliche) Urlaubslektüre sein können.
Samuel Beckett, Gesammelte Kurzprosa. Es gibt Menschen, die glauben tatsächlich sie würden Beckett kennen, nachdem sie einmal „Warten auf Godot“ gesehen haben. Welch ein Irrtum. Der wahre Beckett steckt in der Prosa. Und weil mir im Urlaub die großen Romane zu groß sind, packe ich die kleinen Texte ein; alle versammelt in einem schönen Band (in der genial-brillianten-niemals-genug-zu-lobenden Übersetzung von Elmar und Erika Tophoven). Das sind kurze Texte mit langer Nachwirkung, von den ganz frühen, leicht bekömmlichen bis zu den ganz späten, vertrackt-rätselhaft verschachtelt-poetischen.
Paul Murray, Skippy stirbt. Eine junge literarische Stimme Irlands muss auch mit; na, sagen wir eine jüngere. „Skippy stirbt“ ist ein wirklich toller, absurd-komischer, tief-trauriger Roman übers Erwachsenwerden und Erwachsensein. Leider ist die hier eingepackte, schön gestaltete, dreibändige Ausgabe im Schuber beim Verlag Doris Kunstmann längst vergriffen. Aber auch als schnödes Taschenbuch können und sollten jugendliche und nicht mehr ganz so jugendliche Leser diesen Roman genießen.
Jonathan Swift, Gullivers Travels. Ein alter Penguin Classics Band; zerfleddert und mit gebrochenem Kleberücken. Aber was englischsprachiges muss mit an Bord. Mit Gullivers Travels auf Reise gehen. Swifts Gesellschaftssatire trifft nämlich heute noch ins Ziel; sooo fremdartig sind die Länder nicht, die dort bereist und beschrieben werden.
Laurence Sterne, Eine empfindsame Reise durch Frankreich und Italen. Von Mr. Yorick. Und gleich noch ein Klassiker, quasi im Rausgehen noch aus dem Regel geschnappt. Das kleine rote Büchlein aus dem Galiani Verlag darf auch mit, weil ein Reisebuch einfach zum Reisen gehört. In der wunderbaren Übersetzung von Michael Walter blühen diese frisch-frivolen unvergänglichen Reise- und Liebesabenteuer aus dem 18. Jahrhundert wieder auf. Sterne ist frisch und lebendig, obwohl wir vor kurzem bereits seinen 300. Geburtstag feiern durften. Hier noch mehr zu Sterne und seinen Übersetzer Walter.
Flann O’Brien, Auf schwimmen zwei Vögel (Hörbuch). Flann O’Brien, übersetzt und vorgelesen von Harry Rowohlt. Das sagt schon alles. Zwei whisky-geschwängerte Stimmen der irischen Literatur vereint, welch ein furioses Duett. Muss ich da noch mehr sagen? Zum Brüllen, echt! zum Brüllen, komisch und völlig durchgeknallt. Eine Art Roman-im Roman-im Roman-Geschichte mit Cowboys in Dublin und vielem, vielem mehr. Komplett durchgeknallt und urkomisch. Alles druff auf den iPod und rein in die Tasche.
James Joyce, Giacomo Joyce. Irland ohne Joyce? Undenkbar! Einer muss also mit, aber einer der weniger bekannten. „Giacomo Joyce“ ist ein Liebesgedicht, das niemals aufgesagt wurde. Der junge Sprachlehrer Joyce hat es um 1909 heimlich in Triest geschrieben; für eine seiner Schülerinnen, mit der er sich auf eine Affäre eingelassen hatte. Ein feines, poetisches Novellchen von einem Mann, der sich vergißt. Das Bibliothek Suhrkamp Bändchen ist zweisprachig und druckt auch das Faksimilie der Handschrift ab. Schön!
Und weil in Irland Oscar Wilde nicht fehlen darf, noch ein Anachronismus. Ich packe für die Reise ein Lesezeichen ein, das erst am Ende der Reise gefunden wurde. Wenige Stunden vor dem Rückflug, in einem kleinen Buchladen am Rande von Temple Bar. Hier wurde kurz vor der Abreise weitere irische Literatur gebunkert. Ohje, noch eine Tüte fürs Handgepäck!
Und ganz zum Schluss; weil der iPod eh schon drin ist in der Tasche, packe ich da noch das Gesamtwerk von U2 drauf. Geht immer!
P.S.: Was ich wirklich mitgenommen habe, damals auf die Irlandreise, bleibt geheim. Nur soviel sei verraten, es war definitiv irisch! Und die Büchertasche ist nicht ohne Grund eine Tasche: Bücher kommen grundsätzlich mit ins Handgepäck. Das wird nämlich, anders als der Koffer, nicht gewogen. Und selbst groooße, schweeere Taschen gehen noch als Handgepäck durch.
P.P.S.: In Dublin haben wir selbstverständlich auch bei Leopold Bloom angeklopft, aber er war grad wieder in der Stadt unterwegs.
Diese Bücher und viele, viele mehr kann man übrigens hier einkaufen. Ganz analog im Laden oder digital über den Onlineshop.
Soweit mein kleines, bescheidenes Reisetäschchen, prall gefüllt mit Lesestoff für unterwegs. Allen, die sich auf ihren Urlaub noch freuen dürfen, lege ich nahe, einen Blick in die Koffer der anderen auf Philea’s Blog zu werfen. Da stecken viele Anregungen drin. Und: einen schönen Urlaub.