Wieder da – Die Fälschung der Welt
Auf William Gaddis haben sie geschaut, ihn haben sie gelesen: Don DeLillo, Thomas Pynchon, William Gass, Robert Coover und etliche andere schätzten ihn hoch und haben sich auf ihren Kollegen und sein Werk berufen. Er zählt unbestritten zu den wichtigsten amerikanischen Autoren des 20. Jahrhunderts, nur die breite Öffentlichkeit hat ihn lange übersehen. Dabei war schon sein Erstlingswerk ein Riesenwurf. „Die Fälschung der Welt“ ist eines jener raren Schlüsselwerke der Moderne, ein Jahrhundertroman, den man gelesen haben sollte.
Es ist fast schon Ironie der Geschichte, daß Gaddis‘ großartiges Romandebüt aus dem Jahr 1955 in deutscher Sprache erst ganz zuletzt zu entdecken war, kurz vor dem Tod des Schriftstellers im Dezember 1998. Die Renaissance des Autors war dem Zweitausendeins Verlag zu verdanken, der „Die Fälschung der Welt“ in der überragenden Übersetzung von Marcus Ingendaay auf den Markt brachte. Diese Ausgabe und eine spätere als Taschenbuch sind längst vergriffen. Nun veröffentlicht die Deutsche Verlagsanstalt den Jahrhundertroman erneut und Ingendaay hat seine Übersetzung nochmals überarbeitet.
„Die Fälschung der Welt“ ist ein 1200 Seiten starker Welterklärungs- und Weltdeutungsversuch. Ein satirischer Künstleroman, in dem Gaddis mit enormen Erfindungsgeist, stofflichem Reichtum und mit bis in die letzten Winkel ausgeleuchteten Nebenhandlungen einen ganzen Kosmos spiegelt. Dieser satirische Entwicklungsroman ist eine brilliante Analyse der Gesellschaft und liefert seine eigene Parodie gleich mit. Gaddis wurde in den USA zwar von der Kritik in höchsten Tönen gelobt, aber von den Lesern nicht mit großen Verkaufszahlen belohnt.
Dieser Roman ist so prall gefüllt, so verästelt und so überbordend, daß jeder Versuch einer Inhaltsangabe zum Scheitern verurteilt ist. An dieser Stelle nur so viel: im Zentrum der Geschichte steht der Priestersohn und Kunstfälscher Wyatt Gwyon, der sich, unfähig zu eigenem Schaffen, im Auftrag eines weltweit agierenden Fälscherringes auf das Kopieren flämischer und altdeutscher Meister spezialisiert hat. Nur muß er feststellen, daß diese Originale oft selbst schon Fälschungen sind. Das Spiel mit Original und Kopie wird von Gaddis perfektioniert, erweitert um den Kampf von Gut und Böse und dem Konflikt zwischen Kreativität und Ideenlosigkeit. Letztlich geht es dem Autor um die Fälschung der gesamten Welt, an der alle beteiligt sind: Schriftsteller, Werbetexter, Geistliche, Forscher, Experten, Künstler und Politiker. Ein Netz aus Lügen, Intrigen und Schein.

Aus dem amerikanischen Englisch von Marcus Ingendaay
Gebunden, 1232 Seiten
München: DVA 2013

„Die Fälschung der Welt“ ist eine bissige Satire auf die Welt, ein Monumentalwerk von sprachlicher Brillanz und eine erschreckend klarsichtige Bestandsaufnahme unserer Zeit. Der imposante Epochenroman, der kurz nach dem Ende des ersten Weltkrieges einsetzt und im Jahr 1950 endet, kann dank der präzisen und einfühlsamen Übersetzung von Marcus Ingenday (ausgezeichnet mit mehreren bedeutenden Preisen) endlich wieder richtig gewürdigt werden.
Zweitausendeins brachte seinerzeit zur Einführung und Leitung der Leser auch Steven Moores (teils übersetztes, teils im Original belassene) Begleitbuch zu „Die Fälschung der Welt“ heraus. Leider ist auch dies vergriffen, aber als Online Resource ist Moors Text weiter zugänglich. (Link zu: A Reader’s Guide to to William Gaddis’s The Recognitions)
„William Gaddis ist einer der größten amerikanischen Romanciers – durch und durch kompromisslos!“ Don DeLillo
Wer an „Der Fälschung der Welt“ Gefallen gefunden haben sollte, wird von der Deutschen Verlagsanstalt mit weiterem Lesefutter von William Gaddis versorgt. Ebenfalls hervorragend übertragen, hier von Klaus Modick mit tatkräftiger Unterstützung durch Marcus Ingendaay, liegt auch „JR“ vor.
Ein elfjähriger Junge, dem ständig die Schnürsenkel an seinen zerschlissenen Turnschuhen reißen, der nie ein Taschentuch zur Hand hat und von seiner Mutter vernachlässigt wird, kauft, inspiriert vom Sozialkundeunterricht, vom Schultelefon aus seine erste Aktie. Nach und nach erwirbt er weitere Anteile. Bergwerke, Papierfabriken und Verlage: egal was auf dem Markt ist, JR greift zu, baut ein weltumspannendes Finanz- und Wirtschaftsimperium und versetzt alle Big Players der Wirtschaftswelt in Erstaunen. Doch plötzlich bricht die JR Corporation bei einer Aktienbaisse zusammen, und JR taumelt im freien Fall dem Nichts entgegen.

Aus dem amerikanischen Englisch von Marcus Ingendaay und Klaus Modick
Gebunden, 1040 Seiten
München: DVA 2010

Diese bitterböse Satire auf die Welt des Big Business, deren Witz im Wahnwitz unserer Gesellschaft liegt, ist ebenfalls längst ein moderner Klassiker. Und dank aktueller Entwicklungen auf den globalen Finanzmärkten aktueller denn je!
(Nachtrag 15. April 2013: Noch mehr Gaddis? 1988 ist bei Rowohlt „Die Erlöser“ („Carpenter’s Gothic“) erschienen, übersetzt von Klaus Modick zusammen mit Martin Hielscher. Leider ist dieses Buch nur noch antiquarisch zu finden.)