Auf Spreepartie – Vier Kleine Verlage und vier neue Bücher
Gestern war ich auf »Spreepartie«, einer fröhlichen und abwechslungsreichen Wanderung für Buch- und Literaturblogs durch die Verlagshauptstadt Berlin. Dabei wurden alle Teilehmer_innen und ich intensiv auf vier, sehr, sehr spannende Neuerscheinungen des Herbstes aus kleinen, unabhängigen Verlagen aufmerksam gemacht und eingestimmt.
Los ging es mit der Künstlerin und Illustratorin Christina Röckl (fotoscheu und nicht im Bild) und dem Kunstanstifter Verlag. Sie berichtete über ihre Arbeit an den Illustrationen zum Roman »Liegender Akt in Blau« von Nathalie Chaix (übersetzt von Lydia Dimitrow). Im Mittelpunkt stehen der Maler Nicolas de Staël und seine letzte Muse. Für ihr Bilderbuch für Kinder und Erwachsene »Und dann platzt der Kopf« (ebenfalls Kunstanstifter Verlag) wurde Röckl mit dem Deutschen Jugendbuchpreis ausgezeichnet.
(Kenner wissen es, die Kunstanstifter sitzen natürlich nicht in Berlin, sondern in Mannheim; aber sie wurden durch Christina Röckl und ihre Berliner PR-Agentur bestens vertreten.)
Nächste Station war die Buchhandlung Hedayat in Charlottenburg (Eintrag im Kaupert). Es ist Europas größte Buchhandlung für Persische und ins Persische übersetzte Literatur und sie wird betrieben, nein, beseelt von Abbas Maroufi. Der Schriftsteller, Verleger, Schreibcoach, Buchhändler, Tausendsassa floh 1996 mithilfe von Günter Grass und dem deutchen PEN nach Deutschland, kurz vor einer Verurteilung wegen »Beleidigung der islamischen Grundwerte«. Sein Roman »Feridun hatte drei Söhne« porträtiert die Iranische Gesellschaft im Kontext der Islamischen Revolution 1979. Er erscheint im Oktober in der Edition Büchergilde. Ebenfalls ganz frisch im (Eigen)Druck die zweisprachige Ausgabe (Farsi/Deutsch) von Maroufis »Und Gott schuf die Kuh«. Wer nach Berlin kommt, sollte Abbas Maroufi in seiner Buchhandlung unbedingt besuchen, es lohnt sich.
Beim Berenberg Verlag in Mitte warteten die Autorin Bettina Baltschev (im Bild oben links) und ihre Lektorin Beatrice Faßbender (rechts daneben) mit dem Buch »Hölle und Paradies« auf die Spreepartieler. Baltschev fesselte uns mit einem Bericht über ihre Arbeit an der Reportage (dem literarischen Sachbuch, der Spurensuche) zum Amsterdamer Querido Verlag. Der persönlich gefärbte Bericht über den berühmten von Emanuel Querido und Fritz Landshoff (vormals Gustav Kiepenheuer Verlag, Berlin) betriebenen Exilverlag, der von 1933 bis 1950 u. a. Irmgard Keun, Klaus Mann, Stefan Zweig und Joseph Roth verlegt hat, erscheint im September. Bettina Baltschev verankert die Geschichte von Querido, Landshoff und den Exilautoren an verschiedenen Schauplätzen in Amsterdam, so daß das Buch auch als eine Art literarischer Reiseführer für eigene Erkundungen in der holländischen Grachtenmetropole zu dienen vermag. Da freue ich mich drauf.
Am Ende der Spreepartie wurde beim Verlagshaus Berlin im Prenzlauer Berg der Deckel der »Chinabox« gelüftet. Lyrikerin und Übersetzerin Lea Schneider hat für dieses Projekt über 100 Gedichte von 12 chinesischen Lyrikerinnen und Lyrikern ausgewählt. Alle leben und arbeiten China, sind dort zum Teil bekannt oder sogar berühmt. Zeitkritisch, aktuell, lebensnah und politisch setzen sie sich alle in ihren Gedichten mit ihrem Heimatland und der Welt auseinander. Wir kennen sie (noch) nicht, doch wir werden ihnen in dem prallen zweisprachigen Lyrikband (Deutsch/Mandarin) bald näher kommen. Lea Schneiders Erläuterungen zu ihren Auswahlkriterien für die Anthologie, zu ihrer Arbeit als Übersetzerin und ihren Erwartungen fesselten. Diesem (wie immer beim Verlagshaus stimmig illustrierten) Lyrikband fiebere ich erwartungsvoll entgegen. Ein spannendes Projekt und ein Blick in die aufregende, aber uns fremd-ferne Literaturszene des Reiches der Mitte. Erscheint Im Oktober. (Übrigens Glückskekse und China Food Boxen kennt in China kein Mensch.)
Mit auf Spreepartie waren: Marina von literaturleuchtet, Constanze von Zeichen & Zeiten, Mareike von Herzpotential, Jacqueline von masuko13, Elina von Schnitzel & Schminke, Gérard von Sounds & Books. Liebevoll organisiert und betreut wurde die Tour vom Team Kirchner Kommunikation.