Ostern – Schweifende Notate & Bilder
Einige Notizen zum Fest, schriftliche und bildliche Zeugnisse meiner Gedanken entlang am Buch der Bücher. Zunächst die Theologie: Ostern ist das bedeutendste Fest der Christenheit. Es erinnert an die Auferstehung Jesu und die Überwindung des Todes. In der christlichen Lehre wird der Begriff Ostern von Osten abgeleitet. Die Blicke der Frauen, die zuerst am leeren Grab Jesu standen richteten sich nach Osten zum Sonnenaufgang, der Morgenröte ( lat. aurora ), denn sie glaubten Jesu kommt von dort auf die Erde zurück. Deswegen werden christliche Kirchen nach Osten ausgerichtet erbaut.
Ich bin überzeugt: Die Überlieferung von Ostern hält für alle Menschen, unabhängig davon ob sie streng religiös sind oder nicht, im Kern eine zutiefst tröstliche und allgemeine Botschaft bereit. Das Neue, die Zukunft, findet sich nicht bei den Toten, sondern im Leben.
Nähe und Distanz
Alle vier Evangelisten berichten von der Auferstehung, doch nur bei Johannes findet sich in Kapitel 20 das rätselhaft Bild des »Noli me tangere«. Der Auferstandene ist unberührbar, erst nachdem er aufgefahren ist, rückt er den Lebenden in der Ferne wieder nah.
MAria aber stund fur dem Grabe / vnd weinet draussen. Als sie nu weinet / kucket sie in das Grab / vnd sihet zween Engel in weissen Kleidern sitzen /Einen zun heubten / vnd den andern zun füssen / da sie den leichnam Jhesu hin gelegt hatten. Vnd dieselbigen sprachen zu jr / Weib / was weinestu? Sie spricht zu jnen / Sie haben meinen Herrn weggenomen / vnd ich weis nicht / wo sie jn hin gelegt haben.
VND als sie das saget / wandte sie sich zu rücke / vnd sihet Jhesum stehen / vnd weis nicht das es Jhesus ist. Spricht Jhesus zu jr / Weib / was weinestu? wen suchestu? Sie meinet es sey der Gartner /vnd spricht zu jm / Herr / hastu jn weggetragen? so sage mir / wo hastu jn hin geleget? so wil ich jn holen. Spricht Jhesus zu jr / Maria. Da wandte sie sich vmb / vnd spricht zu jm / Rabuni / das heisset Meister. Spricht Jhesus zu jr / Rüre mich nicht an /denn ich bin noch nicht auffgefaren zu meinem Vater. Gehe aber hin zu meinen Brüdern / vnd sage jnen / Jch fare auff zu meinem Vater / vnd zu ewrem Vater / Zu meinem Gott / vnd zu ewrem Gott.
Die abweisende Geste des »Noli me tangere« ist fester ikonographischer Bestandteil der Alten Malerei. Wie überhaupt die bildliche Darstellung des Leidens und des Sieges über den Tod die alten Künstler bewegt und herausgefordert hat, wie kaum ein anderes Thema. Man zähle einmal die Beispiele, beim Schlendern durch Pinakotheken und Gemäldegalerien.
Wer mag, stelle sich vor den Isenheimer Altar in Colmar, um die Kreuzszene zu betrachten. Im Altarbild des Matthias Grünewald zeigen sich zwei Perspektiven dieses Körpers: der schimmelige, gemarterte, geritzte und verwundete Dornen-Körper jenes Menschen (ecce homo!), und die Auffahrt des wiederhergestellten Körpers, jenes Leibes in der Aureole, die ein Schweben über der Erde ist.
Zitiert wird hier aus: »Auferstehung – eine messianische Zeit«, ein Beitrag von Bersarin im Blog Aisthesis, der Literatur und Philosophie durchstreicht auf der Suche nach »Osterqualm, flutend, mit der buchstabenähnlichen Kielspur inmitten« (Paul Celan).
Vom Sieg der Natur über die Kälte
Ostern wird gefeiert am ersten Sonntag nach Frühlingsanfang. Wer keinen Kalender hat, findet bei Carl Friedrich Gauß die passende Formel. Dr Frühling bringt Licht, Wärme, neues Leben und Kraft, er vertreibt den Winter. Der Volks- und Aberglauben hat das Osterfest daher eng verzahnt mit Symbolen und Riten der Fruchtbarkeit, bemalte Eier und Hasen sind ihr verbreitester Ausdruck in unseren Gefilden. Goethe, der alte Olympier, hat die teleologische Osterbotschaft verzahnt mit eben jenen Bildern der Volksfreude und dem Aufbruch der Natur. Natürlich im größten seiner Dramen, dem Faust.
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick;
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dorther sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
In Streifen über die grünende Flur;
Aber die Sonne duldet kein Weißes:
Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlt’s im Revier,
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurückzusehen.
Aus dem hohlen finstern Tor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden,
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluß, in Breit‘ und Länge,
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und bis zum Sinken überladen
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein;
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.
Bedenkenswert scheint, dass Faust just in diesem hoffnungsfrohen Menschengewimmel der Pudel zuläuft, in dessem Kern sich Teile jener Kraft materialisieren, »die stets das Böse will und stets das Gute schafft«.
Verzeiht den weiten Bogen vom Evangelium zum Faust. Ostern ein Tag, der fröhlich stimmt und gleichzeitig anregt zu schweifenden, tieferen Gedanken. Allen ein Frohes Fest.
P.S.: Warum ich das »Buch der Bücher«, am liebsten zitiere nach Biblia, das ist, die gantze Heilige Schrifft, Deudsch, also nach der Lutherbibel letzter Hand aus dem Jahre 1545, ist nachzulesen im älteren Artikel »Starkes Deutsch«.