Opulent – Neal Stephensons Barockzyklus
Quicksilver, Confusion und Principia – zusammen bilden sie diese drei Bücher den Barock-Zyklus, Neal Stephensons bislang ehrgeizigstes Romanprojekt. Wieder einmal beweist der US-amerikanische Bestsellerautor sein außergewöhnliches Talent als Geschichtenerzähler. Drei dicke Taschenbücher, die sich lohnen.
Das meisterhafte Erzählwerk von Neal Stephenson liegt vollständig auch als Taschenbuch vor
Im 17. Jahrhundert entwickeln sich im barocken Europa die uns bis heute prägende Kultur und die Konstituten unserer Gesellschaft. Naturwissenschaften und Handel sind radikalen Reformen und Umwälzungen unterworfen, Nationen sind im Umbruch, Krieg und Diplomatie verschieben Herrschaftsgefüge und die Politik wird zur „raison d‘être“. Ein neues Zeitalter dämmert herauf. Diese packende Zeit wählt Neal Stephenson als Grundlage für sein bislang ehrgeizigstes Romanprojekt. Drei Romane formen einen Zyklus, der in seiner Mischung aus Abenteuerroman und Historienspektakel einzigartig ist. Kurze Inhaltsangaben der drei Bände sollen verdeutlichen, wie weit Stephenson seine erzählerischen Flügel spannt.
Quicksilver spielt im Europa, um 1665. Daniel Waterhouse, Puritaner und Verächter der alten Geheimwissenschaften, strebt mit seinem Freund Isaac Newton und anderen großen Geistern nach Wissen und Erkenntnis, während die Welt ringsum ein einziges Chaos ist. Noch ringen die Vernunft und der blutige Ehrgeiz der Mächtigen um Vorherrschaft. In dieser Zeit steigt Jack Shaftoe vom Londoner Gassenjungen zum legendären König der Vagabunden auf. Gleichzeitig wird seine Geliebte Eliza, die er aus einem türkischen Harem befreit hat, Mätresse und Spionin am Hof Ludwigs XIV. Die Wege von Daniel, Jack und Eliza führen kreuz und quer durch das zerrissene Europa, während ein neues Zeitalter seine Schatten voraus wirft …
Neal Stephenson: Quicksilver (Band 1 der Barocktrilogie)
Aus dem Amerik. von Nikolaus Stingl und Juliane Gräbener-Müller
Paberback, 1152 Seiten
München: Goldmann 2006
Confusion beginnt im Algier im Jahr 1689. Jack Shaftoe ist als Galeerensklave gefangen. Doch mit einem verwegenen Plan gelingt ihm die Flucht. Der unerschrockene Glücksritter erlangt neben der Freiheit auch das flüchtige Glück sagenhaften Reichtums – sowie Feinde ohne Zahl und eine wilde Abenteuerfahrt rund um den Globus. Unterdessen führt Eliza, mittlerweile Gräfin de la Zeur, am Hof von Versailles ihren eigenen Feldzug. Mit Verführungskunst, Intrige, Spionage und mit handfesten Finanzgeschäften schützt sie das Leben ihres Sohnes und rächt sich an dem Mann, der sie um ein Haar ruiniert hätte. Aber nicht jeder ist den Herausforderungen im Europa am Vorabend Moderne gewachsen. Der Querdenker Daniel Waterhouse sucht sein Heil in der Flucht, den Verheißungen der Neuen Welt entgegen …
Neal Stephenson: Confusion (Band 2 der Barocktrilogie)
Aus dem Amerik. von Nikolaus Stingl und Juliane Gräbener-Müller
Paberback, 1024 Seiten
München: Goldmann 2008
Principa hat seinen Schuaplatz in London im Jahre 1714: Daniel Waterhouse kehrt als alter Mann nach England zurück, um im erbitterten Streit zwischen Newton und Leibniz zu vermitteln. Unmittelbar nach seiner Ankunft wird er in ein teuflisches Komplott verstrickt. Ein Anschlag auf den Londoner Tower soll die sich langsam entwickelnde moderne Geldwirtschaft im Empire und damit die neue Weltordnung zerstören. Dahinter steckt auch Jack Shaftoe, König der Vagabunden und Newtons Nemesis, angetrieben von seiner Liebe zu Eliza. Deren Lebensweg führte sie vom Hof des Sonnenkönigs zu einer eigenen Grafschaft. Doch nun setzt Ludwig XIV. sie als lebendes Unterpfand in seinem Ringen um die Macht in Europa ein …
Neal Stephenson: Principia (Band 3 der Barocktrilogie)
Aus dem Amerik. von Nikolaus Stingl und Juliane Gräbener-Müller
Paberback, 1136 Seiten
München: Goldmann 2010
Ich habe alle drei Bände mit wachsender Begeisterung förmlich verschlungen. Stephenson ist einfach ein genialer Geschichtenerzähler. Wie kaum ein anderer vermag er (weitestgehend) fiktive Handlungen mit historischen Fakten zu spicken und so Verständnis für geschichtliche Entwicklungen zu wecken. Im Barock-Zyklus lernt der Leser quasi en passant die Grundlagen der modernen Wirtschaft, also den Beginn der Globalisierung kennen, erfährt vieles über die von Newton gelegten Fundamente der modernen Naturwissenschaft und wird vertraut mit den kriegerischen und diplomatischen Verwicklungen zwischen England, Frankreich, Holland und Deutschland, die Europa geprägt haben. Ebenso verschlungen und sprunghaft wie das Zeitalter ist auch Stephensons Erzähltechnik. Ort und Zeit wechseln häufig, einzelne Handlungsfäden laufen erst sauber auseinander um sich anschließend wieder hoffnungslos zu verwirren und eine ganze Armee von Haupt- Neben- und Nebennebenfiguren bevölkert die Erzählung. Nebenbei ist das ganze gespickt mit Ironie, satirischen Anspielungen und viel skurrilem Humor. Und auch wenn Abschweifungen und Wanderungen auf Nebenschauplätzen zum Programm gehören, der Meisterschaft Stephensons ist es zu verdanken, daß der Leser in dieser im wahrsten Sinne des Wortes barocken Trilogie den Überblick zu keiner Zeit wirklich verliert.
Der Barock-Zyklus bietet beste Unterhaltung und spannende Einblicke in die historische, politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung Europas. Sehr lesenswert.