The End of the Tour – David Foster Wallace und ein umstrittenes Filmprojekt
Ein Film über David Foster Wallace sorgt für Diskussionen. Schon als das Projekt bekannt gegeben wurde, rumorte es lautstark im Feuilleton, bei den Nachlassverwaltern und bei der Fangemeinde im Netz. Im Januar erlebte The End of The Tour seine Premiere beim Sundance Film Festival und wurde wohlwollend, von einigen auch sehr positiv aufgenommen. Erste Kostproben bietet der offizielle Trailer zum Film, den die Produktionsfirma A24 inzwischen freigegeben hat.
The End of the Tour – Offizieller Trailer
Das Jahr 1996; David Foster Wallace, der als Schriftsteller und Essayist zu diesem Zeitpunkt bereits beträchtlichen Ruhm eingeheimst hat, veröffentlicht Infinite Jest (Unendlicher Spaß). Dieser ebenso vertrackte wie brilliante Riesenroman katapultiert ihn endgültig in den Olymp der zeitgenössischen US-Literatur und macht ihn weltbekannt. Widerwillig begibt sich der öffentlichkeitsscheue und unter Depressionen leidende Wallace auf eine Lesereise durch die USA. Begleitet wird er von David Lipsky, der ein Interview für das Magazin Rolling Stone zu führen. Lipsky nimmt fünf Tage lang seine Gespräche mit Wallace auf, doch der geplante Artikel ist niemals erschienen. Lipsky verstaut die Bänder im Schrank und kramt sie erst 2010 wieder hervor, zwei Jahre nach Wallaces Selbstmord. Die Mitschnitte macht Lipsky nun zur Basis seines Erinnerungsbuches Although Of Course You End Up Becoming Yourself: A Road Trip with David Foster Wallace. Dieses Buch wiederum ist Grundlage des Kinofilms The End of the Tour.
Im Verlauf der fünftägigen Reise scheint sich eine intensive Beziehung, ja, fast eine Freundschaft, zwischen dem Journalisten und dem Schriftsteller zu entwickeln. Sie scherzen, nehmen sich gegenseitig auf den Arm, albern herum und liefern sich ironische Wortgefechte. Viele Themen werden gestreift und verieft: Alltagskultur, Popmusik, Politik, Frauen, persönliche Lebensträume und Ziele, The American Way of Life und natürlich die Literatur. Ob das beide immer ernst meinen, wird nicht eindeutig klar und auch versteckter Neid auf den Gesprächspartner und Eifersucht schleichen sich in die Gespräche ein und Spannungen wachsen auf beiden Seiten.
Proteste gegen Buch und Film
Schon Lipskys Buch haben die Famile von David Foster Wallace, sein Verlag und die literarischen Nachlassverwalter wenig begeistert. Zu Beginn der Dreharbeiten zur Verfilmung unter der Regie von James Ponsoldt nach dem Drehbuch von Donald Margulies veröffentlichten sie eine offizielle Mitteilung, in der das Projekt heftig kritisiert und strikt abgelehnt wurde. Hier der entscheidende Absatz:
The David Foster Wallace Literary Trust, David’s family, and David’s longtime publisher Little, Brown and Company wish to make it clear that they have no connection with, and neither endorse nor support ‚The End of the Tour.‘ This motion picture is loosely based on transcripts from an interview David consented to eighteen years ago for a magazine article about the publication of his novel, ‚Infinite Jest.‘ That article was never published and David would never have agreed that those saved transcripts could later be repurposed as the basis of a movie. The Trust was given no advance notice that this production was underway and, in fact, first heard of it when it was publicly announced. For the avoidance of doubt, there is no circumstance under which the David Foster Wallace Literary Trust would have consented to the adaptation of this interview into a motion picture, and we do not consider it an homage.
In vollem Wortlaut ist die Mitteilung in einem Artikel der Los Angeles Times nachzulesen.
Beigetragen zur heftigen Ablehnung des Films hat nicht zuletzt die Wahl des Hauptdarstellers; David Foster Wallace wird gespielt von Jason Segel. Der ist bislang mehr durch komödiantisch-alberne Rollen in Sitcoms wie How I Met Your Mother und Filmen wie Immer Ärger mit 40 (2012) oder Die Muppets (2011) aufgefallen und weniger durch seriöse Charakterdarstellungen. Auf dem Sundance Filmfestival im Januar überhäufte die Kritik Segel allerdings mit viel Anerkennung und manche raunten sogar von möglichen Chancen auf einen Oscar. An der Seite Segels glänzt Jesse Eisenberg in der Rolle David Lipskys. Eisenberg überzeugte 2010 mit seiner Verkörperung Mark Zuckerbergs in The Social Network.
Ich werde mir dieses Biopic anschauen, mit kritischer Distanz, und erst danach beurteilen, ob der Film dem Schriftsteller und Menschen David Foster Wallace, so wie ich ihn in seinen Büchern und Artikeln, sowie in der großartigen und sensiblen Biographie von D.T. Max kennengelernt habe, gerecht wird. In den USA kommt The End of the Tour am 31. Juli in die Kinos, ein deutscher Filmstart ist noch nicht bekannt.
Hier mehr zu: David Lipsky – Although Of Course You End Up Becoming Yourself (Penguin Random House)