Der Garten der Lüste – Ein rätselhaftes Gemälde wird gelesen und entschlüsselt
Der niederländische Maler der Renaissance Jheronimus van Aken, besser bekannt als Hieronymus Bosch (geboren um 1450, gestorben im August 1516), hat ein einzigartiges Œuvre hinterlassen. Seine Tafelgemälde sind vielschichtig und entziehen sich jeder schnellen und eindeutigen Interpretation. Auch wenn vereinzelt plausible Deutungen möglich sind, vieles in seiner Bildwelt bleibt rätselhaft. Er selbst hat keine schriftlichen Aufzeichnungen zu seinen Gemälden hinterlassen. Seltsamerweise (oder durch höhere Fügung?) begegnete mir in den vergangenen Tagen wiederholt sein großes Tryptichon Der Garten der Lüste. Das Original, entstanden mutmaßlich um 1500, ist im Museo del Prado in Madrid zu bestaunen.
In seinem Dialogroman Abend mit Goldrand hat Arno Schmidt Der Garten der Lüste als vielfach referenziertes Hauptmotiv eingesetzt; zwei der Romanfiguren treten sogar ins Bild und lustwandeln zwischen den Figuren. Erst kürzlich las ich diese Passage wieder.
Ins Bild treten und selbst die kleinsten Details erforschen, wer möchte das nicht? Eine wundervolle interaktive Webspielerei macht dies nun möglich. Mit akustischem Guide, Musik und vertiefenden Texten, wahlweise in Englisch und Niederländisch.
Die Schöpfung, das Paradies der Liebenden, das musikalische Fegefeuer und die Verdammnis. Wahlweise kann das meisterhafte und vielschichtige Renaissencegemälde auf eigene Faust erkundet werden oder in einer geführten Tour über 15 Stationen. Hier nochmals der Link zum Garten der Lüste.
Und noch einmal Der Garten der Lüste, diesmal als Coverabbildung, und diese Bildreferenz ist weit mehr als nur schmückendes Beiwerk, auf dem Roman Die Tutoren von Bora Ćosić. Der Jahrhundertroman, für die Serben das, was der Ulysses für die Iren ist, erschien erst vor wenigen Monaten bei Schöffling & Co. Die Übersetzerin Brigitte Döbert ist nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse.
Ich bin noch tief versunken im Wort- und Redeschwall der Tutoren, bis zu einer Besprechung dauert es noch. Aber im Kulturblog intellectures finden Sie ein langes und gehaltvolles Interview mit Bora Ćosić. Und die Webseite zum Buch hält unter anderem auch einen instruktiven Begleitband zum kostenlosen Download bereit.
P.S.: Nicht nur Hieronymus Bosch hat Schriftsteller angeregt. Wie vielfältig sich Malerei und Literatur spiegeln und befruchten können, zeigt das zauberhafte Projekt: Museum der Träume – Neue Texte zu Alten Meistern.