Kleines Buch mit großem Inhalt – Noch einmal
Oft sind es die kleinen, unscheinbaren Bücher, die mich lange beschäftigen und fesseln, die ich immer wieder aus dem Regal holen kann. Der von Bernd Stiegler bei Reclam herausgegebene Sammelband mit „Texten zur Theorie der Fotografie“ ist so ein Buch (wie vor einiger Zeit schon „Was ist Kunst?“ von Michael Hauskeller). Nicht nur leidenschaftlichen Fotoamateuren wird hier die Tür in die Gedankenwelt der Kunst- und Fototheorie aufgestoßen.
Ist Fotografieren mechanisches Reproduzieren, also ein Handwerk, oder Kunst? Diese Frage bewegt, seit die Fotografie erfunden wurde. Es ist ein zeitlich kurzer, aber entwicklungstechnisch ereignisreicher Weg, den Fotografie und Fototechnik von den Anfangen unter Daguerre und Talbot bis heute genommen haben. Die technischen und künstlerischen Fortschritte der Lichtmalerei wurden dabei immer auch begleitet von theoretischen, philosophischen und ästhetischen Reflexionen. Inzwischen hat die Fototheorie ihren festen Platz als eigenständige Disziplin innerhalb der Kunstgeschichte – und nicht nur dort – eingenommen. Doch bis zu dieser Positionierung war es ein weiter Weg.
Der vorliegende Sammelband mit Texten zur Fototheorie zeigt wie die Fotografie in ihrer beinahe 200-jährigen Geschichte in ganz unterschiedlichen Wissenschaftsfeldern bewertet und kommentiert wurde. Bernd Stiegler hat 25 Auszüge aus Werken von Kulturwissenschaftlern, Historikern, Soziologen, Philosophen, Schriftstellern, Künstlern, Fotografen und Journalisten ausgewählt.

Herausgegeben und eingeleitet von Bernd Stiegler
Broschur, 376 Seiten
Stuttgart: Reclam (Universal-Bibliothek) 2010

Gruppiert hat Stiegler sie in sechs, für die Debatte – in seinen Augen – relevante Themenkomplexe: Realität, Indexikalität, Kunst, Wahrnehmung, Gesellschaft und digitales Zeitalter. Jedem dieser Abschnitte ist eine Einleitung vorangestellt, die hilft, die unterschiedlichen Aspekte der jeweiligen Textauszüge in Zusammenhänge zu stellen und einen roten Faden längs über die unterschiedlichen Positionen zu spannen. Der Blick an sich und der Blick auf die Wirklichkeit stehen dabei im Mittelpunkt, mit allen jeweiligen komplexen Wechselwirkungen.
Stiegler betont ausdrücklich, die Theorie der Fotografie nicht in ihrer ganzen Breite und in ihrer vollständiger Tiefendimension zu zeigen. Ihm geht es um einen Einstieg in die Debatte, und um die wesentlichen Themenfelder. Der Reader ist keine leichte Kost und fordert einen konzentrierten Leser. Doch wer sich vertieft mit Fotografie und ihren Möglichkeiten befassen möchte, findet hier viel Gewinn und viele Anregungen für vertiefende Lektüre.