Das war’s – 2014 im Rückblick
Das Jahr 2014 trudelt dem Ende entgegen. Auch lustauflesen.de atmet kurz durch und blickt zurück; selbstreferentiell und glücklich. Warnung! Es folgen viele Buchstaben und wenige Bilder.
Bücher ...
Fragen beantworten, statt einfach drauflos schreiben? Warum nicht! Über den Umweg Das graue Sofa und Buchpost bin ich auf die Blogparade von BuchSaiten und Katrins Fragen gestoßen. Also, los …
Welches war das Buch in diesem Jahr, von dem ich mir wenig versprochen habe, das mich dann aber positiv überrascht hat?
Viele Bücher haben mich jeweils auf ihre Art überrascht. Genannt seien (stellvertretend) die literarisch eigenwillige und ehrliche Alkoholikerbiographie Schluckspecht von Peter Wawerzinek und Vier Nachrichten von Joshua Cohen. Der Autor wird in den USA seit geraumer Zeit gefeiert wird als große literarische Hoffnung, was mich normalerweise skeptisch stimmt. Doch Cohen konnte mich, auch dank der sehr guten Übersetzung durch Ulrich Blumenbach, überzeugen. Interessant ist, dass ich in diesem Jahr den Zugang zur kleinen Form gefunden habe. Erzählungen, Kurzgeschichten und kurze Romane waren bislang nicht mein Ding. Das haben Texte wie Das Papierhaus von Carlos María Domínguez, Der Holzvulkan von Hans Pleschinski und 14 von Jean Echenoz geändert.
Welches war das Buch in diesem Jahr, von dem ich mir viel versprochen habe, das mich dann aber negativ überrascht hat?
Ganz eindeutig The Circle von Dave Eggers, dem ich einen eigenen Blogbeitrag verweigerte. Ein aktuelles und höchst brisantes Thema wurde hier durch platte Dialoge, einen durchsichtigen Plot und farblose Charaktere total verhunzt. Eine verschenkte Chance, ein enttäuschend schlechtes Buch. Zum Thema Big Data und Überwachung haben mich Drohnenland von Tom Hillenbrand und Zero – Sie wissen, was du tust von Marc Elsberg mehr überzeugt. Eine kleine Enttäuschung war auch Bleeding Edge von Thomas Pynchon, dem der Biss und die Originalität vergangener Jahre langsam verloren gehen.
Welches war eure persönliche Autoren-Neuentdeckung in diesem Jahr und warum?
Ganz klar Karen Köhler mit ihrem Debüt Wir haben Rakten geangelt und Nino Haratischwili mit ihrem großartigen Jahrhundertroman Das achte Leben (für Brilka). Die Geschichten Köhlers mit ihrer perfekten Balance aus Schmerz und Komik tanzen einen Erzählungs-Reigen, der trotz offener Formen eine geschlossenes Ganzes bildet. Wirklich großartig. Und Nino Hartaschiwilis Roman hat mich bereits nach 20 Seiten derart gepackt, dass ich ihn bis zum Ende auf Seite 1150 kaum aus der Hand legen mochte. Lehrreich, unterhaltsam, bewegend, und mitreissend. »Ein backsteingroßes Wunder!«
Welches war euer Lieblings-Cover in diesem Jahr und warum?
ich nenne kein Lieblingscover, sondern eine Lieblingsedition. The Great War von Joe Sacco hat mich in seiner Gesamtheit hingerissen. Leporello, Comic, Graphic Novel ohne Worte? Schwer zu sagen. In jedem Fall ein Buch, das den Schrecken des Ersten Weltkrieges einfängt und transportiert. Zeichnerisch frei und doch historisch exakt.
Welches Buch wollt ihr unbedingt in 2015 lesen und warum?
Da halte ich es mit dem unvergessenen Rudi Carrell: Lass Dich überraschen! In einige Vorschauen werfe ich Blicke, notiere mir auch den ein oder anderen Titel, aber ein »unbedingt lesen« ist (bislang) nicht dabei.
Welches Sachbuch war dir in den letzten zwölf Monaten wichtig?
Sachbücher sind in diesem Jahr insgesamt etwas zu kurz gekommen, dennoch habe ich einen eindeutigen Favoriten. Theorie der Fotografie herausgegeben von Wolfgang Kemp und Hubertus Amelunxen. Der Verlag Schirmer Mosel hat diesen wichtigen Reader und »Theorieklopper« endlich wieder verfügbar gemacht; pünktlich zum 40. Verlagsjubiläum und zur Feier von 175 Jahren Fotografie. Sehr lesenswert fand ich auch Paul Bogards Die Nacht – Reise in eine verschwindende Welt. Er zeigt wie wir der Welt folgenschwer das Dunkel austreiben, das für unsere Psyche und für die Natur doch so wichtig ist. Am Ende des Jahres hat mich noch Jede Liebesgeschichte ist eine Geistergeschichte von D.T. Max gefesselt. Eine sehr lesenswerte Biographie von David Foster Wallace.
Welcher Bild- oder Fotoband hat dich in den letzten zwölf Monaten beeindruckt?
Meine Fotoband des Jahres ist Das pure Leben vom rührigen und stets zu lobenden Lehmstedt Verlag aus Leipzig. In zwei prächtig gestalteten und in hoher Qualität gedruckten, dabei doch preiswerten Bänden wird hier ein Panorama der sozialkritischen und dokumentarischen Fotografie in der DDR ausgebreitet. Dieser (abgeschlossene) Bildroman ist nicht nur zur Feier von 25 Jahre Mauerfall ein Muss.
Welches Buch hast du 2014 wiedergelesen?
Einiges. Joyce (dazu eine Digitale Edition & eine Neuentdeckung), Schmidt, Beckett stehen als Allzeit-Lieblinge immer auf meiner Leseliste. Zahlreiche Kapitel aus Humboldts Kosmos kamen dazu. Überhaupt ist der Blick in die Klassiker mir immer wichtig und unerlässlich.
Welche Bücher wären spurlos an dir vorbei gegangen, wenn nicht andere BloggerInnen dich darauf aufmerksam gemacht hätten?
Wie oben bereits erwähnt: Karen Köhler und Nino Haratischwili hätte ich ohne flankierende Bloglektüren nie (oder doch erst sehr viel später) entdeckt. An mir vorübergegangen wäre auch Wie ich mir das Glück vorstelle von Jan Kordic, hätte nicht Sophie von Literaturen das Buch auf eine kleine Reise durch verschiedene Blogs geschickt. Auch bei mir machte es Station und hinterließ Eindruck.
... und mehr!
Nach längeren Phasen des Winterschlafs (und auch des Sommerschlummers) wurde lustauflesen.de im späten Frühjahr wiederbelebt und wagte im Juli endlich den lange hinausgezögerten Schritt in die soziale Vernetzung. Mein ganz persönliches Highlight des Jahres waren die viele lieben Menschen, die ich seitdem bei Facebook, Twitter, WordPress & Co. kennenlernen durfte. Danke an Alle! Ihr habt mich angeregt, mir Feedback gegeben, ich habe von Euch viel Neues erfahren und einiges gelernt. Ihr habt mich mit lesenswerten, informativen, kritischen und überraschenden Blogartikeln beschenkt, mit Kommentaren erfreut und mit Tweets und Postings unterhalten.
Was folgt ist eine extrem unvollständige und unfaire Liste einiger Lieblingsblogs. Stellvertretend für viele, viele weitere seien dennoch genannt: Sätze & Schätze, Literaturen, Kaffehaussitzer, Brasch & Buch, Philea’s Blog, Die Klappentexterin, 54books, We Read Indie, Buchwolf, Schöne Seiten, Elementares Lesen, masuko13, Buzzaldrins Bücher und last but not least die eigenwilligen, aber stets schmackhaften Hundstrüffel. To be continued …
Was gab es noch ausser Blogs und Büchern? Nun zwei Reisen bleiben im Gedächtnis. Arno Schmidt wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden und ich, als in jahrzehntelanger Lektüre geschulter, aber längst noch nicht weiser Schmidt=Adept, durfte endlich nach Bargfeld reisen. Heureka!

Nach Irland ging es auch! Zu den Quellen von Joyce und Beckett! Für diese Reise habe ich sogar einen (imaginären) Bücherkoffer gepackt; geöffnet und erläutert in der heiteren Kofferreihe auf Philea’s Blog.

Bye, bye Amazon, welcome Ocelot! Auch das war im Jahr 2014 ein wichtiger Schritt. lustauflesen.de will nicht länger Partner eines Internetriesen sein, der mit fragwürdigen Methoden arbeitet. Verlinkt wird seitdem nur noch der Onlineshop von
Leider ist dieser aussergewöhnliche Buchladen etwas ins Schlingern geraten, aber mit unserer Unterstützung hat er eine Zukunft. Kauft dort oder bei einem anderen unabhängigen Buchhändler Eures Vertrauens, aber nicht beim großen A.
Übrigens, der böse Amazon Beitrag war der meistkommentierte Artikel in diesem Jahr. Am häufigsten geteilt und verlinkt wurde der Beitrag zu einem kleinen Büchlein aus dem Weidle-Verlag: So wird denn alles Schwere entweder leicht oder Leben – Tagebuch für Nuschka von Heinz Hilpert.
Ach ja, das noch zum Schluss. Seit diesem Jahr weiß ich auch, was ein #bookupDE und ein #PubnPub ist und spätestens seit ich im Bücher Magazin auftreten durfte, gehört auch diese Zeitschrift zu meinen Lieblingen.
Das hat mich auch begeistert ...
Ein Crowdfundingprojekt habe ich in diesem Jahr mit Interesse und Neugier verfolgt. Biblioteca von Adam Lewis, der das Buch der Bücher lesbar machen möchte. Scheinbar hat diese Idee nicht nur mich, sondern viele Menschen begeistert, und so konnte Adam sein Projekt erfolgreich finanzieren und produziert nun eifrig viele Bibliotheca-Ausgaben. Seine Videos bieten gleichzeitig informative Einblicke in die Prozesse der Buchgestaltung und – produktion.
Genug der Worte ...
Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern, allen Freundinnen und Freunden von lustauflesen.de ein glückliches, friedliches und erfolgreiches Jahr 2015.
Euer Jochen Kienbaum
P.S.: Für alle Numbercruncher noch etwas Webstatistik (in Klammern die Zahlen des Vorjahres). 8.117 (4.333) Nutzer (davon 29.8% (20.3%) mehrmals wiederkehrend) haben in 11.463 (5.423) Sitzungen 27.070 (12.054) Seiten abgerufen. Die durchschnittliche Sitzungsdauer betrug 3:04 (2:37) Minuten. Erfreuliche Steigerungen, aber immer noch Luft nach oben. Also klickt, teilt und verlinkt … mich würde es freuen.