merk=würdig (I) – Hunderttausend Milliarden Gedichte von Raymond Queneau
Dieser Beitrag ist der Startschuss zu einer neuen, losen Reihe. Für »merk=würdig« werden aus der Bibliothek kleine Kostbarkeiten und Lieblinge geangelt. Den Auftakt macht der französische Schriftsteller und Dichter Raymond Queneau mit seinem Automaten für 100 Tausend Milliarden Sonette.
»Fährmann, setz über!« – Nominierte Transportarbeiter im Gespräch
Übersetzer sind glückliche Menschen, denn jeder neue Auftrag öffnet und schenkt ihnen neue Welten. Das ist der segensreiche Ausgleich für oft mangelnde Entlohnung. So bringt es Klaus Binder auf den Punkt, der für »seinen Lukrez« als Übersetzer für den Preis der Leipziger Buchmesse 2015 nominiert ist. Als ebenbürtige Konkurentinnen und Konkurrenten laufen auf: Mirjam Pressler […]
Noppensocken und Hüte – Mit Frank Schulz auf Kreuzfahrt
Für Donald Maria Jochemsen ist die FlipperIV ein Albtraum der Meere. Und dennoch schifft sich der unter wechselnden Pseudonymen wechselnd erfolgreiche Kiezkünstler und alternde Offkultur-Bohemien wacker ein. Die angebetete Tänzerin Kristin Luise gilt es zu überraschen. Weil Donald aber erfahren hat, dass auf Kreuzfahrtschiffen immer wieder Passagiere unter mysteriösen Umständen verschwinden, engagiert er als Leibwächter […]
Gestalt des letzten Ufers – Lyrik von Michel Houellebecq
Er ist ein großer Literat und begnadeter Sprachkünstler. Das erkennen selbst Kritiker an, die Michel Houellebecq im gleichen Atemzug seine Berserkerprosa ankreiden und sich über seine frustierten, amoralischen und provozierenden Protagonisten erregen. Seine Romane sind Gesprächsstoff, nach den Terroranschlägen von Paris insbesondere Unterwerfung, sein letztes Werk. Seine Lyrik wird seltener beachtet. Dabei leistet der literarische […]
Alfred Andersch & Arno Schmidt = 1 kleine Würdigung
Am 21. Februar 1980, also heute vor 35 Jahren, ist Alfred Andersch im Alter von 66 Jahren in Berzano, Schweiz, verstorben. Dort ist auch seine letzte Ruhestätte. Alfred Andersch gehört als Schriftsteller und Essaist zu den bedeutenden literarischen Stimmen der jungen Bundesrepublik und war Mitbegründer der legendären »Gruppe 47«. Ich möchte ihn an dieser Stelle […]
Das Museum der Träume – Neue Texte zu Alten Meistern
Zeit ist realtiv. 11 Sekunden sind für einen Olympiasieg im 100-Meter-Sprint eindeutig zu lang, für einen Blick auf ein Meisterwerk der Kunst eindeutig zu kurz. 11 Sekunden, solange steht angeblich ein Museumsbesucher durchschnittlich vor einem Bild, und die Zeit zum Studieren des Titelschildchens ist da schon drin. In dieser Zeit vermag der Blick niemals durch […]
Mit Odysseus scheitern – Diskurs-Pop als Belletristik funktioniert nicht
Als Komponist, Musiker und Songwriter hat Jochen Distelmeyer alles erreicht. Seinem Weg mit der Band Blumfeld und seinen Solopfaden sind Kritiker und Fans in somnabuler Verehrung gefolgt. Diskurs-Pop sei Distelmeyers Spezialität, so heißt es; also, aktuelle politische und gesellschaftliche Probleme in Songs verpacken zu können, die eingängig sind und gefällig, trotz Tiefgangs und Klippen. Nun, […]
Noch ein Bier in der Westend Klause – Auf den Spuren von Joachim Ringelnatz in Berlin
Biografen können gnadenlos sein. „Er war klein, hässlich und er sprach mit sächsischem Akzent.“ Das sagt Hilmar Klute über Joachim Ringelnatz. So gesehen sei sein Erfolg eigentlich rätselhaft, so Klute weiter. Ausschlaggebend sei wohl sein darstellerisches Talent gewesen, das habe seine Auftritte unverwechselbar gemacht und seinen Ruhm begründet. „Er war nicht einfach nur ein Clown; […]
7 Unschärfen – Über die Kritik an der Kritik und das Bloggen
Diesen Beitrag habe ich dreimal in die Tonne gekloppt; er wollte beim Verfassen nie die richtige Balance finden, kippte beharrlich in die falsche Richtung und schweifte wortreich ab. Der vierte Versuch ist knapper geraten und endete, indem er sich von der ursprünglichen Intention mehr und mehr verabschiedete, als (vorläufiges) kleines Manifest meines Selbstverständnisses als Blogger. […]
Pfaueninsel – Nachdenken über Arkadien
Für die preußischen Könige ist das Eiland in der Havel zunächst Rückzugsort und Traumland, ein kleines Arkadien, das mit der Kutsche schnell zu erreichen war. Doch im Laufe der Zeit wird die Insel geformt und überformt, naturalisiert und denaturalisiert, sie wird Moden unterworfen und gequält.
Ein unverzichtbares Zeitdokument: Eugen Kogon »Der SS-Staat«
Heute vor 70 Jahren haben Soldaten der Roten Armee die überlebenden Gefangenen des Konzentrationslagers von Auschwitz befreit. Dieser Tag ist ein internationaler Gedenktag und markiert das Ende einer menschenverachtenden, seelenlosen und brutalen Vernichtungsmaschinerie, die die Nationalsozialisten in ganz Europa installiert hatten. Ihr Ziel; Menschen ermorden, ohne Ansehen der Würde und ohne Mitgefühl. Wie diese Maschine […]
Verzehrt – Das Romandebüt von David Cronenberg
Kanibalismus, die Sucht nach Amputation, Selbstverstümmelung und hemmungsloser Konsumismus, das sind die Themen von Verzehrt. Im Alter von 71 Jahren versucht sich David Cronenberg in einem neuen Metier. Der vielfach preisgekrönte kanadische Filmregisseur debütiert als Romanautor. Er führt seine Leser in eine Welt voller psychisch und körperlich beschädigter Figuren, die an ihren Mängeln und Defiziten […]
Michel Houellebecq – Unterwerfung
Francois konvertiert am Ende des Buches überzeugte zum Islam. Die Hauptfigur, zugleich Icherzähler des Romans, spricht die rituelle Formel »Es gibt keinen Gott ausser Gott, und Mohammed ist sein Gesandter« und beschließt mit einer beinahe mystischen Verklärung seinen geistigen Reinigungsprozess. Ab sofort ist Francois wieder ein vollwertiges Mitglied der französischen Gesellschaft. »Ich hätte nichts zu […]
Houellebecq lesen – Bericht aus der Halbzeitpause
Meine Lektüre von Unterwerfung (Soumission) schreitet voran. Nachdem ich etwas mehr als die Hälfte des Buches gelesen (verschlungen!) habe, ist die Faszination am Text ungebrochen, sie mischt sich hier und da aber mit kleineren Schwierigkeiten des Verständnisses. Was nicht an Houellebecq liegt, sondern an mir, beziehungsweise meinen Kenntnissen der französischen Literatur und Geschichte. Notizen in […]
»Unterwerfung« – Erster Zwischenstand
Michel Houellebecq und sein aktueller Roman Unterwerfung sorgen für Diskussionen oder sollten für Diskussionen sorgen. Wie ich werden an diesem Wochenende viele Leserinnen und Leser die deutsche Ausgabe des Buches (Übersetzung von Norma Cassau und Bern Wilczeck, erschienen bei Dumont Buchverlage) aufschlagen und in gespannter, gemischter oder einfach nur neugierig-entspannter Haltung mit der Lektüre beginnen. […]
Georg Heym – Zwei Gedichte (oder drei)
Am 16. Januar 1912, also vor 103 Jahren, ist der Schriftsteller Georg Heym gestorben. Er ertrank beim Schlittschuhlaufen auf der Havel, als er seinen eingebrochenen und ertrinkenden Freund Ernst Balcke retten wollte. Vor allem wegen seiner lyrischen Werke und Entwürfe gilt Heym als einer der wichtigsten Vertreter des frühen literarischen Expressionismus. Seine Gedichte berühren mich […]
Das war’s – 2014 im Rückblick
Das Jahr 2014 trudelt dem Ende entgegen. Auch lustauflesen.de atmet kurz durch und blickt zurück; selbstreferentiell und glücklich. Warnung! Es folgen viele Buchstaben und wenige Bilder. Bücher … Fragen beantworten, statt einfach drauflos schreiben? Warum nicht! Über den Umweg Das graue Sofa und Buchpost bin ich auf die Blogparade von BuchSaiten und Katrins Fragen gestoßen. Also, los […]
Lukas II
Ich wünsch Euch allen ein friedliches und frohes Weihnachtsfest. ES begab sich aber zu der zeit / Das ein Gebot von dem Keiser Augusto ausgieng / Das alle Welt geschetzt würde. Vnd diese Schatzung war die allererste / vnd geschach zur zeit / da Kyrenius Landpfleger in Syrien war. Vnd jederman gieng / das er […]
Samuel Beckett – Gesammelte Prosa
Künstler sein heißt in einem Maße scheitern, in dem kein anderer zu scheitern wagt. – Samuel Beckett Am 22. Dezember 1989, also heute vor 25 Jahren, verstarb Samuel Beckett. Anlass für kleine (schwärmerische) Notate und eine Art Leseverführung. Es gibt Menschen, die glauben Beckett zu kennen, nachdem sie »Warten auf Godot« im Theater gesehen haben. […]
David Foster Wallace – Ein Leben
David Foster Wallace hat sich am 12. September 2008 selbst getötet. Vier Jahre später hat der Journalist und Essaist D.T. Max die erste umfassende Biografie des Schrifstellers geschrieben, die nun, wiederum zwei Jahre später, in der Übersetzung von Eva Kemper bei Kiepenheuer & Witsch, der verlegerischen Heimat Wallaces im deutschsprachigen Raum, vorliegt. Jede Liebesgeschichte ist […]
Die Total-Arkadisierung des Harzvorlandes
Der Holzvulkan ist eine humoristische Parabel über Größenwahn und Vergänglichkeit. Hans Pleschinski erzählt die Geschichte von Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel und seinem barocken Traumschloss Salzdahlum. Ein kleiner Fürst in einem kleinen Herzogtum will großen Vorbildern nacheifern, das Versailles Ludwig XIV. übertrumpfen, Rom, Paris und Amsterdam im verregneten Niedersachsen vereinen, pompöse Feste feiern, die selbst […]