
Aus langer Kriegsgefangenschaft zurück – »Durchbruch bei Stalingrad« von Heinrich Gerlach
Ein schonungsloses und brutales Dokument. Heinrich Gerlach hat 1942 im Kessel von Stalingrad gekämpft und überlebt. In seinem Roman schreibt er sich das Trauma von der Seele. Er zeigt Menschen ohne Halt. Tot und Gewalt werden zum Selbstzweck.

Frohburg lesen (2) – Von der Kraft des Erzählens
Der zweite Beitrag zu »Frohburg«, dem Opus Magnum von Guntram Vesper. In diesem Leseprotokoll blicke ich auf Vespers Haltung beim Erzählen. Erinnerungsstrom und mündliche Überlieferung sind Fundament und Kapital des Romans.

Von der trügerischen Ruhe vor der Explosion – »Die Gehörlosen« von Rodrigo Rey Rosa
Die Figuren in diesem Polithriller bewegen sich auf einer glatten Oberfläche, unter der es kocht und brodelt. Wenig ist so wie es scheint bei diesem Tanz auf dem Vulkan. Nach aussen wirkt Guatemala ruhig, doch im Inneren droht die Überhitzung, die Eruption. Ein heißes Thema, kühl erzählt.

merk=würdig (VIII) – »Rummelplatz« von Werner Bräunig liegt in der Mitte von »Frohburg«
In der Mitte von »Frohburg« führt mich Guntram Vesper über die Wismut zurück zu »Rummelplatz« von Werner Bräunig. Sein realitätsnaher Roman wurde 1965 in der DDR verboten, blieb Fragment und erschien erstmals 2007. Aus der losen Reihe »merk=würdig«.

Knallharter Kiez – Der Wedding zwischen Späti und Fight Night
Hier kommt mal ein Berlinroman ganz ohne Bionade-Biedermeier, ohne Mitte-Chic und ohne Prenzlauerberg-Befindlichkeiten. »Großer Bruder Zorn« von Johannes Ehrmann ist Wedding pur, ist Berlin von unten. Eine mit Ironie und Humor gewürzte Milieustudie aus einem zerrissenem Kiez mit liebenswerten Typen.

merk=würdig (VII) – Shakespeare & Wieland (… und einige andere)
Diesen Beitrag in der losen Reihe »merk=würdig« widme ich dem »Theatralischen Werk« William Shakespeares in der Übersetzung von Christoph Martin Wieland (1733 – 1813). Er war einer der ersten, der Anlauf nahm Shakespeare möglichst vollständig in die deutsche Sprache zu holen.

»Die taubengrauen Schwestern« – Charlotte Brontë zum 200. Geburtstag
Diese biographische Skizze Charlotte Brontës und ihrer Geschwister begibt sich zu den Wurzeln ihres literarischen Schreibens. »Angria & Gondal« war ein langes und intensives Gedankenspiel, das die Kinder in der Einsamkeit des Pfarrhauses von Haworth entwickelten. Es war Flucht vor und Verabeitung der Realität.

Das Antlitz der Liebe – Shūsaku Endō beschreibt die Krise des Glaubens
Zwei portugiesische Mönche betreten im 17. Jahrhundert heimlich Japan. Ihre Mission ist es, den verfolgten Christen beizustehen und das Land weiter zu christianisieren. Doch sie werden verhaftet. »Schweigen« ist eine Mediation über den wahren Kern des Glaubens, die Krise und die Erlösung. Ein stilles aber tiefes Buch.

Frohburg lesen (1) – Auftakt und Kern
Das erste in einer losen Reihe von kurzen Leseprotokollen zu »Frohburg«, dem Opus Magnum von Guntram Vesper. Auf eine »klassische Besprechung« verzichte ich und lade Sie stattdessen ein, mich auf meiner Lektüre durch diesen großen Heimatroman zu begleiten.

Die Angst gebiert Ungeheuer – Ein Novelle von Rui Zink
In seiner Novelle »Die Installation der Angst« entwirft der Portugiese Rui Zink eine perfides und bedrohliches Angstszenario. Ein perfekt inszenierte Kammerspiel, das mit aberwitzigen Dialogkaskaden glänzt und einer überraschenden Wendung aufwartet. Die Angst gebiert Ungeheuer.
Kapitalismus macht kaputt – Michel Hoeullebecq, Ökonom
Der Essay von Bernard Maris überzeugt nicht ganz. Entgegen seinem Versprechen entlarvt er weder die Mechanismen des Kapitalismus, noch belegt er die Poetik Houellebecqs als umfassend kapitalismus-apokalyptisch. Doch die Thesen Maris’ sind unterhaltsam und lesen sich locker weg.
Sonntag – Eine frühe Erzählung von Mario Vargas Llosa
»Sonntag« ist eine der frühesten Erzählungen von Mario Vargas Llosa. Der peruanische Schrifsteller und Literaturnobelpreisträger veröffentlichte sie 1957. Pünktlich zu seinem 80. Geburtstag präsentiert die Insel Bücherei eine bibliophile Neuausgabe. Thomas Brovot hat den Text neu übersetzt, Kat Menschik hat ihn illustriert.
Giftgrün und gallig – Der Höllenknirps Alper Kamu und der Alltag in der Türkei
Eigentlich führt Alper Kamu ein ganz gewöhnliches Leben in einem Istanbuler Stadtviertel, wären da nicht diese Verbrechen, über die er wie zufällig stolpert. Das Besondere: Alper ist ein vorlauter Vorschulknirps, der seine Mitmenschen genau beobachtet. Er ist nicht nur ein hochintelligenter Kriminalist, sondern auch ein begnadeter Psychologe.
Das Lächeln der Statue – »Jules und Jim« von Henri-Pierre Roché
Natürlich! Der Film von François Truffaut, »Jules und Jim«, Oskar Werner und Henri Serre an der Seite der göttlichen Jeanne Moreau. »Jules und Jim« war 1953 der Debutroman von Henri-Pierre Roché, er war damals 74 Jahre alt. Truffaut traf Roché, ihm gefiel die Idee vom Film. Doch er verstarb 2 Jahre vor der Premiere. Nun ist sein Roman in Neuübersetzung neu zu entdecken.
Der lange Schatten des Fremden – Ein Kneipengespräch
Der Algerier Kamel Daoud schreibt einen Klassiker fort. Der namenlose Araber aus Albert Camus »Der Fremde« bekommt einen Namen. Hier nimmt einer als tapferer David den Kampf mit einem übermächtigen Goliath auf, doch leider kann er nicht alle seine Kiesel treffsicher plazieren.
Farbloser Schlamm und Rhythmus – »Simeliberg« von Michael Fehr
Ein Krimi ohne Punkt und Komma, er spielt in einer Schweiz ohne Klischees. Simeliberg ist ein abgelegener Ort, irgendwo im Emmental oder nahe bei. Michael Fehr leuchtet die mitunter dunkel verschatteten Herzen der Schweizer aus. »Simeliberg« fesselt mit dem rhythmisch-eigenwilligen Klang seiner Sprache.
Skizzen zu einem finsteren Bild der Seele – Sonnenspiegelungen von Jan Costin Wagner
In seinen kurzen Erzählungen zeichnet Wagner filigrane Miniaturen und schaut dabei in tiefe Seelen- und Gewissensabgründe. Schuld, Angst und das Antlitz des allgegenwärtigen Tods manövrieren Menschen an den Rand der Ohnmacht.
Hiltu und Ragnar – Eros, Psyche und Schicksal im Clinch
Was als kleine Liebesgeschichte zwischen der Dienstmagd und dem jungen Herrn beginnt, endet in einer tödlichen Katastrophe. Franz Eemil Sillanpää dringt in seiner psychoanalytischen Erzählung zu existentieller Unausweichlichkeit vor. Eine Wiederentdeckung.
Magisches Feuer – »Der Scheiterhaufen« von Györgi Dragomán
Ein packender Roman über die Wendezeit in Rumänien. Die 13-jährige Emma ist Waise und lernt plötzlich ihre Großmutter kennen. Bei ihr kommt sie in Kontakt mit den Gespenstern der Vergangenheit und verspürt den Zauber der Zukunft. Dragomán erzählt mit Wucht und magischer Kraft.
Ein Bildungsroman mit Spucke und Schweiß – »Über Bord« von Rudyard Kipling
Wie kann aus einem schnöseligen Millionärssöhnchen mit goldenem Löffel im Mund ein echter Kerl werden? Nun, man läßt ihn kurzerhand von einem Luxusdampfer über Bord gehen und schickt ihn bei den Kabeljaufischern vor Neufundland durch eine harte Schule.
Die durch die Hölle gehen – »Die Verbrannten« von Antonio Ortuño
Migranten, die aus Lateinamerika in die USA wollen, gehen in Mexiko durch die Vorhölle. Antonio Ortuño hat in seinem Roman dieses Fegefeuer aus Hass, Gewalt und Korruption eindringlich beschrieben. Ein schonungslos-brutaler Horrorfilm über das Schicksal von Menschen, die von einem besseren Leben träumen, und durch einen »Fleischwolf« gedreht werden.