merk=würdig (VI) – Es war, als hätt’ der Himmel / Die Erde still geküßt
Ich liebe Faksimiles. Deshalb würdige ich heute in der Reihe »merk=würdig« einen Neuzugang in meiner bescheidenen Sammlung von »Ähnlichkeiten«. Faksimiles sind Surrogat, ihnen haftet etwas vom Ruch des »Fakes« an, vom Schwindel, aber auch die Nachahmung trägt Reste der Aura des raren Originales in sich.
Der lange Schatten des Fremden – Ein Kneipengespräch
Der Algerier Kamel Daoud schreibt einen Klassiker fort. Der namenlose Araber aus Albert Camus »Der Fremde« bekommt einen Namen. Hier nimmt einer als tapferer David den Kampf mit einem übermächtigen Goliath auf, doch leider kann er nicht alle seine Kiesel treffsicher plazieren.
Blogrhythmusstörung – Eine Anamnese in eigener Sache
Ich leide unter Blogrhythmusstörung. Sie ist nicht genetisch, sondern konditioniert. Ich komme aus dem Takt, weil ich mich nicht auf meine innere Uhr verlasse, nicht auf den eigenen Herzschlag horche. Ich habe den Fokus verloren, weil ich nur noch nach rechts und links blicke, mich ablenken und irritieren lasse. Das läßt sich ändern.
Farbloser Schlamm und Rhythmus – »Simeliberg« von Michael Fehr
Ein Krimi ohne Punkt und Komma, er spielt in einer Schweiz ohne Klischees. Simeliberg ist ein abgelegener Ort, irgendwo im Emmental oder nahe bei. Michael Fehr leuchtet die mitunter dunkel verschatteten Herzen der Schweizer aus. »Simeliberg« fesselt mit dem rhythmisch-eigenwilligen Klang seiner Sprache.
Zwei Fundstücke zu Unendlicher Spaß (am Geburtstag von Davis Foster Wallace)
»Unendlicher Spaß« teilt die Leser in zwei Lager, in die, die sich hingeben und verlieren und die, die sich verlieren und aufgeben; und immer wieder treffen sich beide Lager irgendwo verloren in der Mitte. Am Geburtstag von DFW zwei Webfundstücke.
Punkt, Punkt, Komma, Strich – Das geheime Leben der Satzzeichen
Punkte, Kommas & Co. spuken herum und lassen mich nicht los. Daher einige Fundstücke zum geheimen Leben der Satzzeichen. Ohne sie keine Literatur! Oder doch? Was passiert, wenn man die Wörter um sie herum ausblendet? Und… Kann man mit Satzzeichen vielleicht sogar stenografieren?
merk=würdig (V) – 100 Bücher und ein voller Himmel
Für die Reihe »merk=würdig« ziehe ich alte geliebte Bücher aus dem Regal. Heute dreht sich alles um ein altes Suhrkamp-Bändchen, einen Essay von Eckhard Henscheid, um den Kanon, seine Sinnhaftigkeit und um das literarische Paradies.
Skizzen zu einem finsteren Bild der Seele – Sonnenspiegelungen von Jan Costin Wagner
In seinen kurzen Erzählungen zeichnet Wagner filigrane Miniaturen und schaut dabei in tiefe Seelen- und Gewissensabgründe. Schuld, Angst und das Antlitz des allgegenwärtigen Tods manövrieren Menschen an den Rand der Ohnmacht.
Der Garten der Lüste – Ein rätselhaftes Gemälde wird gelesen und entschlüsselt
In seinem Dialogroman „Abend mit Goldrand“ hat Arno Schmidt Boschs“Der Garten der Lüste“ als vielfach referenziertes Hauptmotiv eingesetzt; zwei der Romanfiguren treten sogar ins Bild und lustwandeln zwischen den Figuren. Eine wundervolle interaktive Webspielerei macht dies nun uns allen möglich.
Hiltu und Ragnar – Eros, Psyche und Schicksal im Clinch
Was als kleine Liebesgeschichte zwischen der Dienstmagd und dem jungen Herrn beginnt, endet in einer tödlichen Katastrophe. Franz Eemil Sillanpää dringt in seiner psychoanalytischen Erzählung zu existentieller Unausweichlichkeit vor. Eine Wiederentdeckung.
Magisches Feuer – »Der Scheiterhaufen« von Györgi Dragomán
Ein packender Roman über die Wendezeit in Rumänien. Die 13-jährige Emma ist Waise und lernt plötzlich ihre Großmutter kennen. Bei ihr kommt sie in Kontakt mit den Gespenstern der Vergangenheit und verspürt den Zauber der Zukunft. Dragomán erzählt mit Wucht und magischer Kraft.
»Da war ich hin und weg« – Schmidt=Leser bekennen und berichten
Zum 102. Geburtstag von Arno Schmidt schreibe ich mein (virtuelles) Kapitel in das Sammelbändchen »Da war ich hin und weg«. Wie kam ich zu Arno Schmidt und warum lese ich ihn immer wieder? Mein kleines Bekenntnis gesellt sich zu 100 weiteren Statements und Geschichten.
»Ulysses« Der Film – Zum 75. Todestag von James Joyce
Der Jahrhundertroman »Ulysses« in einer Filmadaption aus dem Jahre 1967. Natürlich läßt sich die vielschichtige Struktur des Romans mit all seinen erzähltechnischen Tricks und Kniffen nicht eins zu eins auf die Leinwand bringen, aber das Ergebnis war/ist dennoch sehenswert.
Ein Bildungsroman mit Spucke und Schweiß – »Über Bord« von Rudyard Kipling
Wie kann aus einem schnöseligen Millionärssöhnchen mit goldenem Löffel im Mund ein echter Kerl werden? Nun, man läßt ihn kurzerhand von einem Luxusdampfer über Bord gehen und schickt ihn bei den Kabeljaufischern vor Neufundland durch eine harte Schule.
Häufiger & länger – Was im Jahr 2015 wirklich gerne gelesen wurde
Zu Beginn des Jahres doch noch einmal ein Blick zurück. Ich habe die Webstatistiken von „lustauflesen.de“ durchforstet, um herauszubekommen, welche Beiträge wirklich gerne und häufig gelesen wurden. Dazu habe ich die Seitenaufrufe in Relation gesetzt zur durchschnittlichen Besuchszeit auf der Seite. Hier die (sicher nicht nur für für mich) überraschenden Top Five.
Die durch die Hölle gehen – »Die Verbrannten« von Antonio Ortuño
Migranten, die aus Lateinamerika in die USA wollen, gehen in Mexiko durch die Vorhölle. Antonio Ortuño hat in seinem Roman dieses Fegefeuer aus Hass, Gewalt und Korruption eindringlich beschrieben. Ein schonungslos-brutaler Horrorfilm über das Schicksal von Menschen, die von einem besseren Leben träumen, und durch einen »Fleischwolf« gedreht werden.
Archiviert & durchgesehen: Meine Lieblingsbücher des Jahres 2015
Dies ist kein tiefschürfender Jahresrückblick. Der Anlass ist ein ganz schlichter: Aus dem Blogarchiv habe ich zehn Bücher herausgefischt, die mich im abgelaufenen Jahr besonders überrascht und erfreut haben. Eine Favoritenliste als Bild- und Textgalerie.
Pfaueninsel – Spazieren in einem Roman
Bilder eines Spaziergangs – Gelegentlich schaffen es Romane den Zauber eines realen Ortes auf einzigartige Weise einzufangen. »Pfaueninsel« von Thomas Hettche ist so ein Roman. Die magische Aura des langestreckten Eilands in der Havel hat Hettche meisterhaft in Literatur verwandelt, in seiner Geschichte legt er historische Spuren frei, mischt sie mit frei erfundenen Geschichten und schlägt kleine Brücken ins Gegenwärtige.
Robert Gernhardt & Heinrich Heine – Zu beider Geburtstag
Zwei Dichter gilt es zu preisen am Jahrestag ihrer Wiegenfeste. Robert Gernhardt (1937 – 2006) und, auf den Tag 140 Jahre vor ihm geboren, Heinrich Heine (1797 – 1856). Witz, Ironie, Esprit, aber auch Tiefgang und Ernst prägen beider dichterisches Werk. Gernhardt schätzte Heine sehr.
Arno Schmidt spricht – Zwei kurze Videos (oder auch nicht) und kurze Anmerkungen
Die Stimme? Merkwürdig hoch, sehr klar, unterlegt mit sonorem Basso Continuo: Getakte wie ein Morse-Code – kurz, kurz, lang, kurz, lang, lang: Nordisch klar, niedersächsisch-hoch-deutsch, durchpoltert von gerollten »R«s und hamburgischen Spitzen Steinen: dann wieder schnell, beinahe aggressiv: nervös huschend: die rechte Augenbraue als Ausrufezeichen (nonverbal).
Sie legte sich zwischen die Neugeborenen und sang mit – Lyrik aus Sápmi
Lyrik aus Sápmi. Der Band »Erbmütter / Welttöchter« mit Gedichten von Rauna Magga Lukkari und Inger-Mari Aikio-Arianauk bietet weitaus mehr als nur einen neugierigen Blick über den Tellerrand. Die Minderheitenliteratur aus dem entlegenen Winkeln Nordeuropas erweist sich als sehr weitsichtig und weltläufig.