Mit Nägeln im Kopf zurück ins Mittelalter – »Telluria« von Vladimir Sorokin
»Telluria« von Vladimir Sorokin ist eine Dystopie, ja, aber eine parodistische. Dieser Roman ist eine Groteske, eine bissige Satire auf unsere Zeit der hybriden Kriege, ökonomischen Krisen und unseren verlogenen Konsumglauben. Gleichzeitig zerlegt Sorokin mit seinem Roman den Roman. Sein geschichtliches Panoptikum präsentiert er als stilistisches Panoptikum und als Schweinsgalopp durch die russische Literaturgeschichte.
24 Türchen – Tilman Winterling im Interview zum neuen Adventskalender von »54stories«
Der schönste Adventskalender kam im vergangenen Jahr von »54stories«. Die Idee: »Es gibt nie genug Geschichten«. Es kamen junge Autor*innen zu Wort die mit ihren Texten »den besten Schutz gegen vorweihnachtliches Gefühlsduseln boten«. Nun also die Fortsetzung mit dem Adventskalender 2015. Tilman Winterling, der zusammen mit Saskia Trebing »54stories« betreibt, hat mir vorab einige Fragen beantwortet:
Alles relativ … oder!? – 100 Jahre »Allgemeine Relativitätstheorie«
Vor 100 Jahren hielt Albert Einstein in der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin seinen ersten öffentlichen Vortrag über die »Allgemeine Relativitätstheorie«. Einsteins Idee erschütterte die Grundfesten der Physik und hält bis heute Naturwissenschaftler in Atem. Zum Jahrestag zwei allgemeinverständliche Einführungen ins Thema: Eine von Max Born und eine von Einstein selbst.
Nochmals: Große Literatur – Eine Annäherung an objektive Kriterien
Seit 500 Tagen nun existiert »lustauflesen.de« in der Version 2.0. Den Tag an dem meine den blog-flankierenden Aktivitäten auf Facebook und Twitter begonnen haben, möchte ich feiern, indem ich ein vor langer Zeit gegebenes Versprehen endlich einlöse. Nämlich einige Gedanken zum Thema »Große Literatur« beizusteuern, das vor 14 Monaten diskutiert wurde. Genauer: ich starte einen Versuch zu möglichen objektiven Kriterien.
Eine brutale und schonungslose Parabel – »Das große Heft« von Ágota Kristóf
Mit »Übungen zur Abhärtung des Körpers« und »Übungen zur Abhärtung des Geistes« trainieren sich 9-jährige Zwillingsbrüder eine physische und psychische Hornhaut auf Leib und Seele. »Das große Heft« ist eine messerscharfe, auf glasharte Hauptsatz-Prosa reduzierte Geschichte. Ihre Botschaft: Mit Liebe und Mitleid ist in totalitären Zeiten nicht zu überleben.
Ohne Titel …
Menschlichkeit Das ist ein Gefühl des Wohlwollens für alle Menschen, das nur in einer großen und empfindsamen Seele aufflammt. Diese edle und erhabene Begeisterung kümmert sich um die Leiden der anderen und um das Bedürfnis, sie zu lindern; sie möchte die ganze Welt durcheilen, um die Sklaverei, den Aberglauben, das Laster und das Unglück abzuschaffen. […]
merk=würdig (IV) – Meine ungelenken Denkübungen mit Roland Barthes
Im Mittelpunkt der Artikelreihe merk=würdig stehen Bücher, die mir etwas bedeuten, die mich begleiten, mich herausfordern und anspornen, mich beglücken oder die einfach nur schön sind. In loser Folge stelle ich sie vor, mit oder ohne besonderem Anlass. Diesmal eine kleine Verbeugung vor Roland Barthes an seinem 100. Geburtstag.
Mysterien für alle – Poetische Skizzen und Notate von Joseph Beuys
Ürsprünglich nur angeschafft, um den »heimischen Beuys-Block« in der Bibliothek zu ergänzen, entpuppte sich dieser Band als erhellende Einführung in das Denken von Joseph Beuys. Die faksimilierten »Kleinsten Aufzeichnungen« aus dem Nachlass mischen Poesie und Politik, sind »Ansätze zu Sternkarten für einen irdischen Gebrauch« und obendrein ein bibliophiles Kleinod.
Meine Bibliothek – Eine Vergewisserung
Ein Privatissimum über die heimische Bibliothek, über die Unordnung der Bücher, den unkontrollierten Bücherkauf und nicht sequentielles Lesen. Inklusive einem Exkurs über die Reduktion von Saucen. – Nur ungenügend wird im Text das Glück des Augenblicks eingefangen, welches streifendes Morgenlicht jüngst auslöste.
Ein Buch ist erst ein Buch, wenn es ein Buch geworden ist – Ein Gestalter berichtet
Warum manche Bücher schön sind und andere nicht. Und warum und wie wir das unbewußt wahrnehmen. Der Buchgestalter Friedrich Forssman gehört unbestritten zu den Besten seiner Zunft. In »Wie ich Bücher gestalte« gestattet er einen Blick in seine Werkstatt. Der Gestalter, so Forssman, bewegt sich zwischen Freiheitsgraden und Notwendigkeiten, nur eines darf er nicht, seine Persönlichkeit in den Vordergrund schieben.
Von Zappelphilipp-Poetik, Murmeltieren, Geld und Viren – Die Frankfurter Buchmesse 2015
Meine kleine Bilanz der Frankfurter Buchmesse 2015 und der lange Schatten der Literaturkritik. Neben vielen schönen Begegnungen, Büchern und Gesprächen prägte eine Thema meine vier Frankfurter Tage: Blogs versus Feuilleton. Eine neverending Story, die ihre Dynamik nicht zu verlieren scheint.
Der Deutsche Buchpreis 2015 geht an Frank Witzel – Jawohl!
Jaaaa, er hat gewonnen! Ich bin überglücklich über diese mutige Entscheidung der Jury. Seit ich Witzels Roman gelesen habe, wurde ich nicht müde für dieses Buch zu werben. Frank Witzel packt in seinen fulminanten Schelmenroman »Die Erfindung …« Pop und Politik, Klamauk und Ernst, Geschichte und Fiktion so meisterhaft und verschroben zwischen zwei Buchdeckel, wie dies vor ihm noch kein Autor in Deutschland gewagt hat
Mary Grey vs. Elisabeth I. – Inger-Maria Mahlke hat (k)einen historischen Roman geschrieben
So virtuos Mahlke auch mit dem sorgfältig recherchieten historischen Material jongliert, so farbig auch das Colorit sein mag und so geschliffen-prägnant ihre Sprache, es fehlt, das überraschende Moment in diesem Historiendrama. Ein zeitgenössischeres Setting hätte vielleicht mehr Spannung hinein gebracht in den beschriebenen Kampf einer Frau um Freiheit und Selbstbestimmung.
»Erdogan soll Shakespeare studieren« – Eine Lesung mit Emrah Serbes findet nicht statt
Die Lesung findet nicht statt, denn der Schriftsteller kommt zu spät. Bedrückt, mit hängendem Kopf betritt er den Raum. Emrah Serbes sieht übernächtigt aus, sehr müde und sehr traurig. Die 30 Menschen, die auf ihn gewartet haben, nimmt Serbes kaum wahr. er ist in Gedanken weit weg. Weit weg das ist Ankara, wo gestern bei einem Bombenanschlag vermutlich mehr als 100 Menschen gestorben sind.
#Blogfragen für Buchblogger von Stefan Mesch
»Ich kenne tolle Buchblogs und tolle Leser*innen und Rezensent*innen. Aber ich habe viele Fragen, die mir die “über mich”-Seite oder die kurzen persönlichen Gespräche mit Bloggern oft nicht beantworten«, sagt Stefan Mesch. Deshalb hat er 15 (fiese) Fragen gestellt. Die Antworten darauf helfen auch meinen übrigen Leserinnen und Lesern.
Männerbilder zwischen Apotheose und Klischee – Die zwölf Apostel der Monique Schwitter
In »Eins im Andern« zieht die Icherzählerin eine Lebens-Liebens-Bilanz in Form einer zeitgenössischen Heiligenlegende. Ein durchaus vielschichtiges Beziehungsbrevier, das mit seinen amüsanten Apostel-Variationen zu überzeugen weiß, ohne in allzu großen Heiligenbildchen-Kitsch-Verdacht zu geraten. Ein kluges Buch über das Leben, die Liebe und den Tod.
Ohne die Socken des Dichters – Arno Schmidt in 100 Stationen
Kann man Literatur ausstellen? Die Arno Schmidt Stiftung kann es. In Berlin präsentiert sie in der Akademie der Künste eine einzigartige Ausstellung zu Leben und Werk Arno Schmidts. Sie bietet einen lebendigen Einblick in den Arbeitsalltag des »Heidedichters« und beleuchtet sein innovatives und sprachmächtiges literarisches Schaffen. Auch der Schmidt-Kenner erfährt und sieht viel Neues.
Sog und Tableau – Die Prosa der Valerie Fritsch als Phänomen und Paradoxon
Alle Wetten auf einen sicheren Shortlistplatz für Valerie Fritsch und »Winters Garten« wurden verloren. Der »Deutsche Buchpreis« hat, wie der DFB-Pokal, so scheint’s, seine ganz eigenen Gesetze. Nun bin ich zu spät mit meiner immer wieder aufgeschobenen Besprechung. Oder auch nicht: denn das Buch ist weiter im Handel und im Gespräch. Ich rücke allerdings ab von einer klassischen Rezension und konzentriere mich stattdessen auf einzelne Aspekte der Prosatechnik Fritsch‘ und beziehe mich dabei auf Beiträge weiterer Buchpreisblogger.
Eine handfeste Überraschung – Die Shortlist zum Buchpreis 2015
Die Shortlist zum Deutschen Buchpreis ist da – und sie ist eine Überraschung. Keine, ich wiederhole, keine (!) Übereinstimmung mit den Favoriten der Buchpreisblogger. Das nehme ich, das nehmen wir jetzt erst mal so hin und schauen, wen die Jury als preiswürdig erachtet.
Eigentlich müssten wir tanzen – Eine Apokalypse von Heinz Helle
Dieser Roman ist ein Schlag in die Magengrube. Eine verstörende Analyse der fragilen Strukturen unserer Zivilisation, der Vergänglichkeit von Freundschaft und ein Balanceakt auf dem schmalen Grat, auf dem wir entlang der Abgründe zur Barbarei wandeln.
Die Shortlist der Buchpreisblogger
Der Countdown läuft, die Spannung steigt. Einen Tag vor der offizellen Jury präsentieren die Buchpreisblogger ihre Shortlist mit den sechs Favoriten für den Deutschen Buchpreis 2015. Eine durchaus überraschende Auswahl.